Csaplár Ferenc szerk.: Lajos Kassák / Reklame und moderne Typografie (1999)
Einige Bemerkungen zur Propaganda der Ungarischen Woche
EINIGE BEMERKUNGEN ZUR PROPAGANDA DER UNGARISCHEN WOCHE Unlängst konnte man von der Englischen Woche lesen, dann von der Deutschen Woche, und nun ist die „Modewelle" endlich auch bei uns angelangt, und wir konnten die nationale Aktion namens Ungarische Woche endlich von Angesicht zu Angesicht in Augenschein nehmen. Mit den Anführungsstrichen beim Wort Modewelle wollten wir zusätzlich deutlich machen, daß diese verschiedenen nationalen Wochen nicht etwa Ausgeburte irgendwelchen Modefimmels, sondern bewußte nationalpolitische Experimente sind. Bei uns freilich, wo die Bedeutung der Industrieproduktion im Weltmaßstab kaum ins Gewicht fällt (es ist ein territorial kleines Land, und in der Bevölkerung überwiegt die Bauernschaft), diente die Ungarische Woche, wie es scheint, nicht solchem Ziel. Wäre nämlich die Industriepropaganda dieser demonstrativen Woche ernst genommen worden, wie wäre dann der Ankauf, der Druck und die Anbringung der Unmengen schlechter Plakate möglich gewesen; und wie war es möglich, daß die Geschäftsleute ihre Läden einfallslos herausgeputzt und ihre Schaufenster überladen haben, möglicherweise mit guter Ware, aber in einer Weise, als steckten sie alle im Konkurs und Hilfe für sie lediglich noch der Ausverkauf dieser Sachen brächte. Jedes Land hat das Recht, wenigstens innerhalb des Staatsgebiets Propaganda für die eigene Ware zu machen, und es ist sogar seine Pflicht, dies zu tun, denn mittels richtiger Propaganda mehrt es die Kauflust und das Vertrauen der Verbraucher, folglich vermag es die Produktion zu steigern, mindert die Zahl der Arbeitslosen und hebt auch auf diese Weise die Aufnahmefähigkeit des Verbrauchermarktes. Es ist also vom nationalen, ja nationalökonomischen Gesichtspunkt angebracht, daß verschiedene Länder nationale Wochen veranstalten. Dagegen jedoch, daß diese nationale Woche, die laut Anzeige dem Interesse der Industrie und des Handels in Ungarn diene, unzulänglich veranstaltet wird, müßte jeder produzierende und konsumierende Bürger des Landes seine Stimme erheben. Auf der englischen und der deutschen Woche sind wir nicht gewesen, also können wir über die keine sachliche Meinung äußern; die Ungarische Woche hingegen haben wir gesehen und können sagen, diese Woche ähnelte eher einem Ausverkauf als der Darbietung der nationalen Produktion eines Kulturlandes. Von einer ernst zu nehmenden Kulturpropaganda haben wir nirgendwo auch nur eine Spur gesehen, obschon die Mauern mit Plakaten zugeklebt waren und die Läden mit Waren gefüllt. Doch vergessen wir nicht: diese Woche wollte eine demonstrative und repräsentative Woche der ungarischen Industrie und des ungarischen Handels, kurz ein Abbild für das Niveau des Landes sein, und es kann mit ruhigem Gewissen gesagt werden, so viele schlechte Plakate (ausschließlich schlechte), wie grade zur Ungarischen Woche, haben wir in den Straßen von Budapest noch nie gesehen, und auch die Schaufenster unserer Geschäfte haben wir in der Qualität dermaßen heruntergekommen, als in der Ungarischen Woche, noch nie gesehen. Wenn wir eine nennenswerte Industrieproduktion haben, wie ist es dann möglich, daß die Propagandamittel dieser Produktion so niveaulos sind? Würden wir die unbedingten Werte der ungarischen Produktivkräfte nicht kennen, wüßten wir nicht aus Nachrichten und aus unmittelbarer Erfahrung, daß die aus dem Lande ausgewanderten Arbeiter überall in der Welt anerkannt gute Arbeitskräfte sind, müßten wir glauben, Ungarn sei als Agrarland wegen seiner wertlosen Industriearbeiterschaft zur Erzeugung von Qualitätswaren gar nicht imstande. Nun steht es aber außer Zweifel, daß die ungarische Arbeiterschaft in jedem Berufszweig mit den produktiven Fähigkeiten der Arbeiter im Ausland konkurrenzfähig ist; und so kann es nur eine einzige Feststellung geben: die Besitzer und Führungskräfte der ungarischen Großindustrie - ob aus mangelnder Kenntnis moderner Produktion, ob aus überheblicher Unbekümmertheit - haben die Bedeutung der Ungarischen Woche nicht erkannt. Oder sollte vielleicht irgendwer meinen, die Warenpropaganda der Ungarischen Woche könne in dem Sinne, wie die Engländer, die Deutschen oder die Russen Propaganda machen, ernst genommen werden? Die Organisation der ganzen Ungarischen Woche glich eher einer zufällig veranstalteten Messe als einer demonstrativen Vorführung von Quantität und Qualität der nationalen Produktion. Das ganze verhielt sich zu Versuchen ähnlicher Tendenz im Ausland wie sagen wir einmal das Gerät zur Regelung des Verkehrs Räköczi-Straße Ecke Ringboulevard zu dem Gerät mit gleichem Zweck am Wiener Ring. Beide Geräte sind für elektrischen Strom eingerichtet, der Unterschied zwischen ihnen besteht nur darin, daß das in Wien auf einen Knopfdruck schellt, leuchtet und unmißverständlich die freie Wegrichtung anzeigt, die Elektroapparatur in Budapest hingegen mit einer Stange zum Leben gestochert wird und auch dann mit ihren grünen und roten Äugelein gerade mal herabplinkert auf die angestauten Passanten. Eine Abordnung aus mehreren Experten war zum Studium der Verkehrsregelung nach Wien gereist, und nachdem sie die ganze durchaus nicht verhexte Geschichte eingehend geprüft hatten, installierten sie daheim die Apparatur mit dem Knüppelstarter, das mehr an die Glanzzeit dörflichen Laternenanzündens als an die Arbeitsweise und Form des Elektroreglers in Wien erinnert. Diese allgemein bekannte Fehlleistung habe ich hervorgeholt, um mehr Anschaulichkeit in das Bild zu bringen, das die Budapester Hausmauern, Litfaßsäulen und Geschäfstauslagen während der Ungarischen Woche boten. Von den Verkehrsampeln des Auslands sind nur die großsprecherische Bezeichnung (Elektroschutzmann) und die nicht ganz begriffenen Äußerlichkeiten bei uns angelangt, und so steht es auch um die zur Propagierung der nationalen Waren veranstaltete Ungarische Woche. Die Verkehrsampel ist ein Kind der Großstadt, ebenso ist die Veranstaltung nationaler Warenwochen von den großen Industrieländern initiiert worden, allerdings nicht nur mit dem Zweck, das jeweilige heimische Publikum in der Woche zum Kauf größerer als der üblichen Mengen heimischer Waren zu animieren, sondern auch, um gegenüber der Industrie in den konkurrierenden Ländern die Qualitäten der eigenen Produktion vorzuweisen und mit 17