Török Dalma (szerk.): Mantel der Traume. Ungarische Schriftsteller erleben Wien, 1873-1936 (Budapest, 2011)

Wien-brevier - Gyula Krúdy: Der wiener hut

bekam auch der Kaiser einen Krug samt Einspänner. Er fand sich in den Weinkellern rund um die Rothenthurmgasse zurecht. Er hatte Adressen im Kopf, wo den Fremden freundliche Frauen empfingen. Erzherzoginnen grüßte er auf der Straße, und sie nickten ihm zurück. Im Gesangverein der ungarischen Handwerker in Wien blies er den Bass, wenn gerade ein Liederabend stattfand. Als Geschenk brachte er billige Handschuhe mit. Er schüttelte die Hand des Portiers vom Hofmuseum. Ein alter Diener drückte einmal ein Auge zu, während sich ein älterer Herr nur probeweise im riesigen Bett Maria Theresias in Schönbrunn wälzte. Wenn sein Geld ausging, lieh ihm jemand etwas. Er war der Pate eines Kindes einer Meidlinger Gärtnerin. In den Wirtshäusern, die er besuchte, fand er selbst nach jahrelanger Abwesendheit seine Pfeife an ihrem Platz. Eines Tages wurde er sogar zum Kaiser eingeladen. Es war Sonntag und ein Hofkurier holte ihn im Weißen Wolf am Zoll ab. Mein Verwandter zog seinen Frack an, setzte sich einen geliehenen Hut auf und fuhr mit dem Boten los. Ihr Weg führte sie am Kanal entlang. Über jene alte Brücke, in deren Mitte eine große Marien-Statue wacht, Tag und Nacht mit Kerzen beleuchtet. Auf der Brücke kam plötzlich starker Wind auf, der den Zylinder meines Verwandten herunterriss. Der Zylinder flog geradewegs in den Kanal. Das schwarze Wasser schaukelte den Hut leise hin und her, dann trieb es ihn fort. Mein Verwandter lief am Ufer des Kanals entlang, seinem Hut hinterher, und machte die Leute mit Geschrei auf sein Unglück aufmerksam. Bis ein dahinschlendernder Schiffer nach großen Schwierigkeiten endlich verstand, dass mein Verwandter vom Kaiser erwartet wurde, doch als er sein Boot los machte, zu rudern begann, da war der Zylinder- Hut im Kanal versunken. Auch wenn es nicht Sonntag gewesen wäre und die Läden auf gewesen wären, selbst dann hätte sich mein Verwandter nicht auf der Stelle einen neuen Hut kaufen können. Er hatte einen so großen Kopf, dass er sich eigens einen Hut anfertigen lassen musste! Es blieb ihm nichts anderes übrig, als sich auf den Weg in die Stadt zu machen, und er lief entblößten Hauptes von einem Bekannten zum anderen, um sich einen Hut zu leihen. Der Schweiß rann ihm an der Stirn hinunter. Er stellte sich den Kaiser vor, wie er ungeduldig die Vorzimmertür öffnet:- Ei, wo bleibt denn dieser Ungar?! Die Bekannten hatten alle einen kleineren Kopf als mein Verwandter. Er probierte die Hüte auf, zerrte an ihnen. Manche bedeckten nur seinen Scheitel, in anderen sah er aus wie der dumme August im Zirkus. Auch den Mittag verbrachte er mit Lauferei, obwohl ihn im Roten Apfel ein gutes Mittagessen erwartete. Der Wirtin hatte er versprochen, 21 1

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