Török Dalma (szerk.): Mantel der Traume. Ungarische Schriftsteller erleben Wien, 1873-1936 (Budapest, 2011)

Wien-brevier - Gyula Krúdy: Der wiener hut

GYULA KRÚDY: DER WIENER HUT Das Gedächtnis. Es kam in der Nacht, wenn der Wind wie das Geschirr auf jenseitigen Rössern klirrt; sich der Mond hinter den Spa­letten im Sterben liegend hinter die Umhänge der Wolken entfernt; die Stiege unter den vorsichtigen Schritten von Meuchlern, Räubern mit berußten Gesichtern, Wandergesellen mit dem Messer in der Hand, knarrt, sodass der Dieb vorsichtig inne hält; im schwarzen Kerzendocht Augen der Jugendzeit erscheinen, deren Besitzer wir einst gedemütigt, verletzt haben; die verkrampften Hände kaum im Stande sind, die zum Hals drängende Schlinge fern­zuhalten... Es steht da am Fuße des Bettes und schaut in seinem schwarzen Mantel regungslos auf uns herab wie eine Dante-Figur. Gewöhnlich nennen wir es Schlaflosigkeit. In den schlaflosen Nächten reise ich. Eines Nachts fuhr ich nach Wien, wie mein einstiger Verwandter, der Gesandter war und aus Oberungarn zum Landtag nach Pressburg - ein Katzensprung von Wien entfernt - reiste. Wenn der Alte heute noch lebte, wäre er vielleicht Delegierter und könnte wieder samt Koch, Kellermeister, Heilerin und Musikanten in seiner Kutsche rei­sen. Und er würde dem auf dem Bahndamm vorbeirasenden Zug spöttisch zunicken, in dem hungrige und müde Menschen dicht gedrängt sitzen. Wie gut wäre es gewesen, ein Gelübde abzulegen, dass wir nie in unserem Leben einen Zug besteigen, so wie die Leute früher! Heutzutage schwört man sich, unter keinen Umständen ein Flugzeug zu besteigen. Dieser oben erwähnte Verwandte von mir war aus zweierlei Gründen berühmt: Zum einen konnte er aus beliebiger Entfernung die Arbeit der Schatzsucher hören. Im Bett liegend sagte er, wo die gelangweilten Bauern an der Dorf­grenze nach einem verborgenen Schatz gruben. Aus diesem Grund grub man eines Winters seine eigene Kammer aus. Zum anderen war er berühmt für das Reisen. (Schließlich brachten ihn seine Pferde tot auf einem mit Rohrkol­ben beladenen Pferdewagen heim; der Mond leuchtete, und er saß dort aufgerichtet, tot bis er zu Hause ankam.) Er kannte jedes Wirtshaus und jede Wirtin auf dem Weg nach Wien. Er war sich im Klaren darüber, wo man das beste Pörkölt bekam, welcher Jahrgang im Keller lag, wessen Tochter die Wirtin war, wie der Hausbursche hieß. Sogar in Wien kannte er sich aus. Er wusste, wann im Kulmbacher Brauhaus am Fuße der Burg gezapft wurde, vom Anstich 210

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