Török Dalma (szerk.): Mantel der Traume. Ungarische Schriftsteller erleben Wien, 1873-1936 (Budapest, 2011)

Studien - Pál Deréky: Ungarische avantgardeschriftsteller und -künstler in Wien in den jahren 1920-1926

■ Andor Németh war während der gesamten Dauer des Ersten Weltkrieges in Frankreich interniert und blieb auf der Rückreise in Wien hängen. Auch ihn gewann Kassák für die Avantgarde - Németh kannte allerdings schon früher Apollinaire, auch die Texte von Marinetti und einigen deutschen Expressionisten. Mit der Kassákschen „ideologischen Ungegen­ständlichkeit” konnte und wollte Németh nichts anfangen, viel eher entsprach der Surrealismus seiner mystisch­magischen Weitsicht. Seine surrealistischen Texte gehören zum Besten der ungarischen Avantgarde-Dichtung. Róbert Reiter stammte aus einer deutschsprachigen Familie in Temeschwar [Timişoara], Trat bereits während des Ersten Weltkrie­ges in Verbindung mit dem AM-Kreis, und konnte bis 1919 eine kräftige, eigenständige, aktivistische Verssprache entwickeln. Wie Déry, György, József, Kudlák, Mihályi, Németh und andere war er nicht gezwungen, in Wien zu sein, da er nicht wegen Teilnahme an der Räterepublik hätte emigrieren müssen. Die künstlerische und intellektuel­le Aufbruchstimmung im Kreis der Wiener ungarischen Avantgardisten übte jedoch auch auf ihn eine entscheidende Anziehungskraft aus. Reiter blieb bis zuletzt einer der Hauptmitarbeiter von AM. Er war vielleicht der Einzige, der den Aktivismus-Konstruktivismus-Wechsel Kassáks (d.h. den Wechsel von der futuristischen Verssprache zur unge­genständlichen Montage) nachvollziehen und dabei anmutige, rätselhafte Texte von bleibendem Wert schaffen konnte. Ervin Sinkó publizierte 1916 schon in Kassáks erster Avantgarde-Zeitschrift A Tett [Die Tat] in Budapest, wählte allerdings 1917 mit den Kommunistinnen des Blattes (József Révai, Mátyás György, József Lengyel, Aladár Komját, Irma Rothbart, seiner späteren Ehefrau, und anderen) die Sezession. Er war Gründungsmitglied der Kommunistischen Partei Un­garns, Parteisekretär, Mitglied des Arbeiter- und Soldatenrates, und noch Vieles mehr, u. a. kurzzeitig Stadtkomman­dant von Kecskemét. In dieser seiner Funktion weigerte sich der 21 jährige den Befehl zur Erschießung einer Grup­pe gefangener Konterrevolutionäre zu unterschreiben, hielt ihnen statt dessen im Kasernenhof einen Einführungskurs in Marxismus. Seine Lebensgeschichte setzte sich ähnlich abenteuerlich fort, sein Hauptwerk Roman eines Romans wurde ins Deutsche übersetzt und findet sich in jeder größeren Bibliothek (u. a. in der UB Wien). Irma Rothbart machte alle seine Eskapaden mit (schloss in der Zwischenzeit allerdings ihr Medizinstudium ab und wurde an der 160

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