Magyar László szerk.: Orvostörténeti Közlemények 170-173. (Budapest, 2000)
KÖZLEMÉNYEK — COMMUNICATIONS - Lammel, Hans-Uwe: Konzepzionswandel. Die Berliner Chirurgische Klinik in der Ziegelstrasse im Übergang von Bergmann zu August Bier. — Koncepcióváltás. A berlini Ziegelstras s ei Sebészeti Klinika Bergmanntól August Bierig
KONZEPTIONSWANDEL DIE BERLINER CHIRURGISCHE UNIVERSITÄTSKLINIK IN DER ZIEGELSTRASSE IM ÜBERGANG VON ERNST VON BERGMANN ZU AUGUST BIER HANS-UWE LAMMEL Wenn im Titel des Beitrages ganz allgemein von Konzeptionswandel die Rede ist, so möchte ich gleich zu Beginn versuchen, etwas präziser zu werden. Es wird sich im Folgenden nicht darum drehen, einen Wandel in der Auffassung dessen, was Chirurgie kann und soll, und zu der Frage, welches Verhältnis zur Naturwissenschaft ihr eigentümlich ist, anhand zweier ihrer Protagonisten im deutschen Sprachraum nachzuzeichnen, auch wenn man um diese Ebene nicht ganz herumkommen wird. Es geht auch nicht darum, persönliche Eigenheiten herauszuarbeiten und darüber nachzudenken, welchen Einfluß auf chirurgisches Tun ihnen beizumessen sei, noch einen weiteren Beitrag zur Rolle der Persönlichkeit in der Geschichte zu leisten. Und dazu wäre weiß Gott nicht wenig zu sagen. Vielmehr betrachte ich den Übergang von Ernst von Bergmann, der 25 Jahre in der Chirurgischen Universitätsklinik in der Berliner Ziegelstraße gewirkt hat, zu August Bier, der seinerseits eben genau auch wieder 25 Jahre dort arbeiten wird, als eine Wellenbewegung auf dem Meer der Chirurgiegeschichte, und ich werde versuchen, gleichsam unter die Wasseroberfläche und in die Tiefe zu tauchen, zumindest solange der Luftvorrat reicht, um — zugegebenermaßen mit einer Brille vor Augen, aber nichtsdestoweniger nicht ganz blind — nach Strömungen konstanter Tiefe, Richtung und Temperatur Ausschau zu halten, ohne deren Existenz und Beständigkeit es kaum zum Wellenkräuseln auf der Obertläche gekommen wäre, man sich mithin also schwerlich an dieser Stelle aus dem Boot und ins Wasser gewagt haben dürfte. Der englische Wissenschaftshistoriker Christopher Lawrence hat vor acht Jahren einen Band herausgegeben, mit dem versucht wird, die Geschichte der Chirurgie und die bisherige Chirurgiegeschichtsschreibung wohltuend gegen den Strich zu lesen. 1 In seinem Einleitungsessay setzt sich Lawrence mit einigen, insbesondere der deutschen Medizingeschichte allzu lieb gewordenen Allgemeinplätzen auseinander, allen voran mit der These, die Erfindung und allgemeine Akzeptenz der Narkose sowie die neuen Inhalte von Antisepsis und Asepsis hätten die chirurgischen Möglichkeiten um ein Vielfaches vergrößert und den Siegeszug der Chirurgie überhaupt erst ermöglicht. 2 Unter Aufnahme eines Gedankens von Henry Ernest Sigerist aus dem Jahre 1935, der davon ausging, daß die rasante Aufwärtsentwicklung der Chirurgie längst im Gange war, als die Narkose entwickelt wurde und die 1 Christopher Lawrence (Hrsg.): Medical Theroy, Surgical Practice. Studies in the History of Surgery, London, New York, 1992. 2 Zuletzt Ortrun Riha in ihrer Lübecker Antrittsvorlesung am 2. Juni 1994. abgedruckt in gekürzter Form als: Chirurgischer Alltag in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts, Focus MUL. Zeitschrift für Wissenschaft, Forschung und Lehre an der Medizinischen Universität zu Lübeck 11 (1994), H. 4, S. 246—250.