Körmöczi Katalin szerk.: Führer durch die historische Ausstellung des Ungarischen Nationalmuseums 3 - Vom Ende der Türkenkriege bis zur Millenniumsfeier - Die Geschichte Ungrans im 18.-19. Jahrhundert (Budapest, 1997)
SAAL 14. Dulden, Ausgleich und Aufschwung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (Katalin Körmöczi - Edit Haider)
schiedenen Zentren der Emigration, ihre politischen Vorstellungen und die sie vertretenden Persönlichkeiten. Neben dem Protokoll und dem Petschaft des Londoner Vereins Ungarischer Politischer Flüchtlinge liegen das Siegel des Ungarischen Nationaldirektoriums - der von Kossuth, Teleki und Klapka 1859 in Paris gebildeten Emigrantenregierung -, die Erinnerungsgegenstände der Klapka-Legion und eine Liste von Flüchtlingen mit den Namen derer, die aus Istanbul nach Amerika gingen, außerdem die Stationen und Zeugnisse der England- und Amerikareisen von Lajos Kossuth. Kossuth zog während seiner Emigrationsjahre die Lehren aus seiner umstrittenen und verspäteten Minderheitenpolitik von 1848-1849. In seinem 1851 in Kiutahia (Türkei) formulierten Verfassungsentwurf skizzierte er die fortschrittlichste Vorstellung einer Nationalitätenpolitik im 19. Jahrhundert und zugleich die bürgerlich-demokratische Staatseinrichtung Ungarns. Er erarbeitete den auch als Alternative zum österreichisch-ungarischen Ausgleich aufzufassenden Plan der Donau-Konföderation, der allerdings 1862 - als er zufällig bekannt wurde - von der Öffentlichkeit in Ungarn, von der Emigration und einem großen Teil der betroffenen Nationalitäten zurückgewiesen wurde. Nach seiner amerikanischen Rundreise ließ sich Kossuth mit seiner Familie in London nieder, und ab 1862 lebte er in Turin in Italien. Er bemühte sich, die Emigration in die europäische Politik einzuschalten, und wollte die internationalen Krisen für die Interessen der Sache Ungarns nutzen. Er hatte Kontakte zu Mazzini und seinem Kreis, zu Cavour und Napoleon III. bzw. zu allen österreichfeindlichen Bewegungen. Kossuths auf den Grundlagen von 1849 stehende Politik befand sich im Gegensatz zu den politischen Prozessen der 1860er Jahre in Ungarn und sich abzeichnenden aus- und inländischen Ausgleichskraftlinien. Das symbolisiert sein in Diskussionsposition gebrachter, in der Emigration benutzter Mahagonitisch englischer Produktion und darauf der an Ferenc Deák addressierte den Ausgleich ablehnende sog. „Cassandra-Brief". „WENN GEDULDET WERDEN MUSS, WIRD DIE NATION DULDEN" (Ferenc Deák) GESELLSCHAFTLICHE VERHALTENSFORMEN IN DEN JAHREN DES NEOABSOLUTISMUS UND DER WILLKÜRHERRSCHAFT Mit Ausnahme des engen Kreises der altkonservativen Aristokratie waren nach 1849 alle ungarischen gesellschaftlichen Faktoren vom Schauplatz des politischen Handelns ausgeschlossen. Positionen erbat und erhielt jener auch zahlenmäßig begrenzte Kreis von Aristokraten, der auch schon während der Revolution und des Freiheitskampfes seine Loyalität zum Hof zu erkennen gegeben und sich von den ungarischen Ereignissen distanziert hatte. In den Jahren des Neoabsolutismus bildeten die Mitglieder dieses Kreises die einzige Klammer zwischen dem Wiener Hof und der ungarischen Gesellschaft. Ihre Unzufriedenheit, die Unhaltbarkeit der Situation trugen sie bei mehreren Gelegenheiten dem Kaiser vor. Mit ihrem Plan einer politischen Neuordnung, den Bach als revolutionäres Programm qualifizierte, wollten sie auf der Basis von 1847 eine den Willkürverhältnissen gegenüber erträglichere Lage schaffen.