Kalicz Nánor: Früchneolitische Siedlungsfunde aus Südwestungarn. (Inventaria Praehistorica Hungariae 4; Budapest, 1990)

EINLEITUNG - I. FORSCHUNGSGESCHICHTE DER STARCEVO-KULTUR

I. FORSCHUNGSGESCHICHTE DER STARCEVO KULTUR Die Starcevo-Kultur ist ein Teil jener großen frühneolithischen Region, die von Thessalien gegen Norden hin den größten Teil des Balkans mit Bulga­rien, Rumänien (den nördlichsten Teil der Moldau aus­genommen) und Jugoslawien (ohne Dalmatien und Slowenien) umfaßt (Taf. la-b). Norden gehört ihr die Große Ungarische Tiefebene (mit Ausnahme des nörd­lichsten Teils) sowie der südliche Teil Transdanubiens an. Im Osten ist die Prut-Bug-Dnjester-Landschaft die peripherialste, über die meisten lokalen Eigentümlich­keiten verfügende Einheit dieses mächtigen Komple­xes (Taf. la-b). Auf diesem nahezu 500.000 km 2 großen, Balkan- oder balkanisch-ägäische Region ge­nannten Gebiet vertreten die Protosesklo-Präsesklo­Sesklo-Anzabegovo-(Porodin)-Karanovo I-II Öavdar-Kremikovci - (Pernik-Galabnik) - Ovcarovo­Tzonevo-Circea-Gradesnitza die Bug-Dnjester- und die Starcevo-Körös-Cri§-Kulturen das früheste Neolit­hikum, also die Anfänge der Produktionswirtschaft. Den größten Raum nimmt unter den durch Herkunft, Entwicklungstendenz und vor allem durch starke oder lockere Fäden der materiellen und geistigen Kultur verbundenen Kulturen die Einheit der Starcevo-Körös­Cri§ Kulturen ein (Taf. la-b). Zugleich bilden die drei Kulturen mit allen für Randgebiete charakteristischen Merkmalen auch das nördliche Randgebiet des balka­nisch-ägäischen frühneolithischen Komplexes, aber mit Energien, die das nördliche Randgebiet zum zweiten neolithisierenden Zentrum machten. Die Forschung ist sich heute noch nicht einig in der Beurteilung der Frage, ob der unter dem Namen Körös-Starcevo oder Starcevo-Cris, zusammengefaßte kulturelle Komplex für eine oder zwei, eventuell drei selbständige Kulturen gelten soll. Im Besitze unserer bisherigen Kenntnisse fühle ich mich dazu berechtigt, die Starcevo-, Körös, ja selbst die Cri§-Kultur als selbständige Einheit zu be­trachten, und werde später noch detaillierter auf die Gründe der Absonderung eingehen. Es scheint sicher zu sein, daß die Starcevo-Kultur von der Körös-Kultur in mehreren wesentlichen Zügen abweicht, und daß die einen großen Teil des Gebietes von Rumänien ein­nehmende Cri§-Kultur von beiden verschieden ist. Es steht aber auch außer Zweifel, daß die Starcevo­Körös- und die Cri§-Kultur innerhalb des balkanisch­ägäischen Komplexes mit einander fester verbunden sind, als mit den Karanovo I-II, der Cavdar-Kremi­kovci-, den Anzabegovo-(Porodin-) und Protosesklo­Kulturen (Taf. lb). Die frühneolithischen archäologischen Kultu­ren, aber die neolithischen Kulturen überhaupt, halte ich wegen der Natur der uns zur Verfügung stehenden Quellen nicht für ethnokulturelle, bestimmbare Kom­plexe im heutigen Sinne, sondern für Einheiten, die wir in erster Linie aufgrund der Ähnlichkeit oder Ab­weichung vor allem der archäologisch feststellbaren, meist technischen (z.B. Keramik, Werkzeuge usw.) oder sonstiger Merkmale der materiellen und geisti­gen Kultur voneinander trennen oder zu einer Einheit zusammenfassen. Diese werden von der Richtung der „neuen Archäologie" technokulturelle Komplexe genannt. 68 Die Starcevo-, Körös- und Cri§-Kulturen verfügen jede für sich über ihrer Organisationsstufe entsprechende Kriterien. Unter den drei Kulturen kann man aber innerhalb des großen Technokomplex­es einen die übrigen, den Durchshnitt übersteigenden Zusammenhang beobachten. 69 Die Froschungsgeschichte der Starcevo-Kultur in Ungarn kann auf eine Vergangenheit von kaum einem Jahrzehnt zurückblicken. Die ersten Funde sind zusammen mit Andenken aus anderen Zeitaltern im Zuge der der Fundrettung dienenden Beobachtungen von M. Wosinsky in Harc, (Nyanyapuszta) im Komitat Tolna, noch am Ende des vorigen Jahrhun­derts zum Vorschein gekommen. 70 Das farbige Bild des veröffentlichten, bemalten Fragments entging jedoch der Aufmerksamkeit der Forschung und auf­grund anderer Funde aus der Umgebung hielt man auch dieses Bruchstück lange Zeit hindurch für einen Typus der Lengyel-Kultur. Der nächste Fund stammt ebenfalls aus dem Komitat Tolna. 1934 wurden in der Flur von Medina drei Gefäße gefunden, die - wie wir heute schon wissen - charakteristische Funde der 71 Starcevo-Kultur sind. Die spätere, fundrettende Be­obachtung von J. Csalog hatte lediglich die Sammlung von Funden der Linienbandkeramik auf diesem 72 Fundort zum Ergebnis. Vielleicht in Unkenntnis der entsprechenden Parallelen machte Csalog in seinem Bericht über die Fundrettung, in dem er die neolithi­schen Funde vorstellte, von den Gefäßen des Starcevo-Typus keinerlei Erwähnung. In den sechziger Jahren wurde durch die For­schungen von S. Dimitrijevic die Verbreitung der Starcevo-Kultur auf einem größeren Gebiete Slawo­73 mens bekannt. Damals galt bereits die Auffassung, daß die nördliche Grenze der Starcevo-Kultur die Drau entlang und östlich von der Mündung der Drau an der Donau gezogen werden kann.

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