Kalicz Nánor: Früchneolitische Siedlungsfunde aus Südwestungarn. (Inventaria Praehistorica Hungariae 4; Budapest, 1990)

EINLEITUNG

der Keramik vorausging. Im Nahen Osten kann das Erscheinen der Keramik innerhalb kleinerer Gebiets­einheiten nicht auf einen einzigen Zeitpunkt festgelegt werden, sie ist vielmehr in einem weiteren Zeithori­zont in Erscheinung getreten und als Ergebnis anfäng­licher Versuche verfügte die Keramik der einzelnen Gebiete auch über abweichende technische Eigen­18 Schäften. Vielfalt ist nicht nur für die Keramik be­zeichnend, es herrschte vielmehr bereits vor ihrem Bekanntwerden in den primären Zentren innerhalb kleinerer Gebietseinheiten ein großer Abwechslungs­reichtum bezüglich der Auswahl der domestizierten Tier- und Getreidearten. Erst zu Beginn des 6. Jahr­tausends kam der Komplex der 5 domenstizierten Tierarten zustande, doch gab es selbst dann noch große Unterschiede im prozentuellen Anteil der ein­zelnen Haustierarten. 19 Einheit zeigt der Umstand, daß auf dem ganzen großen Gebiet der Domestizie­rung in der Viehhaltung Schaf und Ziege dominierten und die anderen Gattungen weit übertrafen. 20 Unter den anbauten Pflanzen bewahrten die verschiedenen Weizen und Gerstensorten in den einzelnen Gebieten noch lange Zeit hindurch den dominanten Charakter ihrer abweichenden Eigenschaften. 1 Die Keramik war ein Produkt des Neolithikums, das im Nahen Osten lange Zeit hindurch die lokalen Unterschiede zwischen kleineren Gebietseinheiten wi­derspiegelte. Anders verhielt sich die Sache in Europa. Im zweiten Quartal unseres Jahrhunderts, in den dreißiger und vierziger Jahren gab es unter den Forschern der traditionellen archäologischen Schule (vor allem in Deutschland) noch Vorstellungen, wonach das mittel­europäische Neolithikum - und in diesem Falle war darunter die Kultur der Linienbandkeramik zu verste­hen - selbständig aus dem lokalen Mesolithikum her­22 ausgewachsen war. Allerdings blieb diese Annahme ausschließlich auf der Ebene theoretischer Spekula­tion, da für diesen Entwicklungsprozeß keinerlei Be­weismaterial zur Verfügung stand, lediglich die Tatsache, daß auf das wirklich vorhandene Mesolit­hikum das Neolithikum folgte, bzw. - um einen die Wirklichkeit besser widerspiegelnden Ausdruck zu verwenden - ist in Mitteleuropa das Mesolithikum älter und das Neolithikum jünger. Das Fehlen der Beweise für eine erfolgte Weiterentwicklung faßte man als Stand der Forschung auf und der Gedanke an Diffusion tauchte gar nicht auf, und wenn doch, dachte man sie in entgegengesetzter Richtung. Daher wirkte die Theorie V. G. Childe's von einer neolithischen Revolution im Nahen Osten und ihrer diffusen Verbreitung in ganz Europa aufrührend. Im Wesentlichen als Ergebnis der chronologischen Revo­lution (Zeitbestimmung durch Radiokarbon), in Childes Fußstapfen startete die bereits früher begon­nene, aber erst jetzt intensiv werdende Erforschung des Nahen Ostens, die die Anfänge der Produktions­wirtschaft bis ins 10. Jahrtausend v. Chr. zurückführ­te, und was nicht weniger wichtig ist, die Kontinuität dieses Prozesses mit vielfältigen Beweisen belegte und auch jetzt noch immer wieder weitere Daten liefert, die bezeugen, daß die Umstellung auf dem ganzen großen Gebiet, dessen Grenzen sich gegen Süden und in Anatolien noch ausbreiten, nicht konform, sondern außerordentlich abwechslungsreich war. 24 Nicht nur die Kontinuität fehlte in Europa, vor allem in Mitteleuropa, sondern es widersprach auch der Zeitfaktor und das Fehlen der grundlegenden Vor­aussetzungen für eine produzierende Wirtschaft (ent­sprechende Pflanzen- und Tierarten) der Theorie von der Entwicklung eines selbständigen Neolithikums gleichzeitig mit dem Neolithikum des Nahen Ostens. Es gibt aber auch heute noch maßgebend wirkende Meinungen, die in ganz Europa für die Entwicklung des dem Neolithikum vorausgegangenen Mesolithi­kums einen parallelen Rhythmus zu der des Nahen Ostens annehmen, und den Vorstellungen von einer Diffusion nur eine untergeordnete Rolle zusprechen. 25 Andere Vorstellungen verbinden in der Entstehung des Neolithikums auch den Südosten Europas an das Zentrum im Nahen Osten mit der Begründung, daß unter den damaligen klimatischen und natürlichen Verhältnissen auch im Süden Europas die Existenz des als Grundvoraussetzung der Neolithisierung gel­tenden Wildschafes und der wilden Getreidearten 26 wahrscheinlich ist. Die vorerwähnte (Clark'sche) Auffassung ist insofern berechtigt, als sich - soweit es das spärliche Quellenmaterial erlaubt - (hauptsächlich im Bereich des Ritus) Eigentümlichkeiten der Epoche des Mesolithikums nachweisen lassen, die mit einzel­nen Zügen der Entwicklung des Neolithikums im Nahen Osten verwandt zu sein scheinen. Das Niveau der Entwicklung hat (vom Ritus abgesehen) mit dem Zustandekommen der spezialisierten Jäger-Fischer­Sammler Gemeinschaften hier und da nachweisbar die Schwelle der neolithischen Lebensweise erreicht. Das Überschreiten dieser Schwelle, die Verwirklichung der Produktionswirtschaft war jedoch nicht möglich, weil die Grundbedingungen, die wilden Vorfahren von Schaf und Ziege, sowie die wilden Sorten der do­mestizierbaren Getreidearten fehlten. Es stimmt, daß von den Haustieren Rind, Schwein und Hund auf großen Gebieten Europas auch an Ort und Stelle do­mestizierbar waren, da ihre wilden Gattungen hier lebten. Nach gewissen Vorstellungen wurden auch entsprechende Versuche gemacht, vielleicht auch mit Erfolg, aber erst nach Übermahme der Grundkenntnis­se, das heißt also, nachdem als Ergebnis der Domesti­zierung auch Haustiere nach Europa gelangt waren. 27 Bisher kennen wir in Europa keinen einzigen mesoli­thischen Fundort, an dem sich irgendeine Spur der Domestizierung nachweisen ließe (vielleicht mit Aus­nahme des Hundes, der eine ganz andere Rolle spielte, als die übrigen Haustiere). Diese These gilt auch, wenn man weiß, daß im Süden und dann in der Mitte Europas das Neolithikum bereits bestand, als in Mittel- und vor allem in Nordeuropa die Lebensweise noch mesolithisch war, und zwischen den Gebieten, in denen die Bevölkerung eine abweichende Lebenswei-

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