Kolba H. Judit: Liturgische Goldschmiedearbeiten im Ungarischen Nationalmuseum. 14.-17. Jahrhundert. (Catalogi Musei Nationalis Hungarici. Series Mediaevalis et Moderna 1; Budapest, 2004)

KATALOG - KELCHE

Das zweimalige Vorkommen der Heiligen dürfte auf den Auftrag der Königin hinweisen. Über dem Fuß sitzt ein kurzer sechseckiger Schaft­ring mit der Minuskelinschrift „maria hilf'auf ein­getieftem Grund mit Spuren des einstigen Email­grundes dahinter. Auf der sechsten Seite ein beblät­terter Zweig. Über dem Ring läuft ein gegossener tordierter Draht um, und darüber befindet sich ein unverziertes Tragelement in der Form eines Pyrami­denstumpfes, das den mit Kapellenkranz verzierten Nodus trägt. Dieser ist der früheste von den auf ähn­liche Weise verzierten in Ungarn. Zwischen den sechs Nischen befinden sich gegossene Fialen, die Nischen sind tief, mit hinten dreigeteilten gotischen Fenstern, über ihnen ein gegossener Giebelschmuck. Knospen und Blätter. Über dem Nodus ein weiterer dachartiger Pyramidenstumpf, doch sind auf ihm die Platten mit dem gravierten ursprünglichen Netz­muster erhalten geblieben. Die Kuppa sitzt auf ei­nem weiteren tordierten Draht, hier fehlt ein Schaft­ring. Die Kuppa ist breit, weitet sich leicht zum Mundrand hin, im Stil der frühen gotischen Kelche. Der Kuppakorb bedeckt das untere Drittel des Kel­ches, auf ihm stehen unten auf trapezförmigen Plat­ten sich aus dem zur Emaillierung vorbereiteten Grund mit graviertem Netzmuster hervorhebende Figuren von Heiligen: 1. Maria mit dem Kind; eine schöne, gekrönte junge Frau mit dem unproportio­niert großen Kind auf dem Arm, dem sie einen Ap­fel reicht. 2. St. Margarete von Schottland mit Kro­ne in weitem, faltigen Kleid, in der Hand ein Kreuz; 3. St. Petrus mit einem großen Schlüssel, dessen Bart nach oben gerichtet ist; ein Mann mittleren Alters mit kurzem Bart in weitem, faltigen Mantel; 4. St. Paulus, ein gleichaltriger und ähnlich gekleideter Mann mit spitzem, nach oben zeigenden Degen in der Rechten und einem Buch in der Linken; 5. St. Barbara (zum zweitenmal), eine gekrönte junge Frau, in der Rechten den auf ihr Martyrium hinweisenden Turm hochhebend, unter ihrem weiten Mantel schaut das gemusterte Kleid hervor; 6. die gekrönte St. Do­rothea, unter deren Mantel gleichfalls das gemuster­te Kleid hervorschaut. Sie hält ein Körbchen in der Rechten und die Palme ihres Martyriums in der Lin­ken. Der Hintergrund dieser Bilder war einst sicher­lich emailliert, doch sind heute nur noch in kleinen Flecken Spuren des dunkelgrünen Emails erhalten. Über der Bilderreihe wird der Kuppakorb von einem hohen prunkvollen, Lilienkranz geschlossen. Auf der frei gebliebenen glatten Fläche der Kuppa hat der unbekannte Meister etwas unter der Mittel­linie in einem gravierten doppelten Linienrahmen auf schraffiertem Grund mit schönen, regelmäßigen, gotischen Minuskeln folgenden Text eingraviert: „hic est calix novi testamenti in meo sangvine" (Die­ser Kelch ist das neue Testament in meinem Blut" ­Lk 22,20). Auf dem Fuß des Kelches ist unten die Geschichte der Schenkung eingraviert: „Calicem hunc Museo Nationali donavit Joannes comes Keglevich de Bu­zin S.C.R.A. MATTIS Camerarius 1815" (Dem 1802 gegründeten Nationalmuseum vom Grafen Keglevich geschenkt, um für ihn einen sicheren Ort im Museum zu finden). Im ersten gedruckten Museumskatalog von 1825 steht: „der Kelch wur­de seit Menschengedenken in der Pfarre der Stadt Torna"aufbewahrt: der Besitzer dieser Domäne war am Anfang des 19. Jh. Graf Keglevich. Die Kirche der Kleinstadt Torna wurde am Anfang des 14. Jh. erbaut und im 18. Jh. innen umgestaltet. Über den Herstellungsort und den Goldschmiede­meister des Kelches haben wirkeine Angaben. Den unbekannten Meister müssen wir auf Grund seiner hohen Könnerschaft in der Budaer Hofwerkstatt suchen; er dürfte unmittelbar den Vorstellung von Königin Barbara Folge geleistet haben. Dieser Kelch ist ein einmalig schönes Stück der hei­mischen Goldschmiedekunst vom Anfang des 15. Jh., das einzigartig schöne und einzige ungarische Werk der späten Periode des weichen Stils, doch gehört er auch zu den hervorragendsten Werken der europäischen Goldschmiedekunst jener Zeit. Seine ungarische Provenienz belegen die ungarischen Heiligendarstellungen am Fuß. JiiMiSlf Literatur: KULTSÁR 1807, II, 402; Cimeliotheca 1825, 2, Sectio secunda 1. 1 ; Ausstellung 1884, 86, Nr. 63, Taf. II; PULSZKY-RADISICS-MOLINIER 1900, I, 139,mitAbb.;PuLSZKY-RADisicso.J.,I, 123-124, mit Abb.; VARJU 1933, 15; H. KOLBA- T. NÉMETH 1973 9-10; H. KOLBA 1980, 150, Abb. 8, Abb. 9; H. KOLBA 1983, 14-17, mit Abb.; Ausstellung 1987, II, Ö. 9, 416-417, mit Abb.; MM 1987, I, 640; II, 480, Nr. 1496-1500; LÖVEI 1991, 49-51; Ausstellung 1996, 2, 25, Abb. 22

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