Kolba H. Judit: Liturgische Goldschmiedearbeiten im Ungarischen Nationalmuseum. 14.-17. Jahrhundert. (Catalogi Musei Nationalis Hungarici. Series Mediaevalis et Moderna 1; Budapest, 2004)

DIE LITURGIE UND IHRE OBJEKTE

Verzierung Die Verzierung der Kelche aus dem 14. Jh. besteht aus Hei­ligen- und Evangelistengestalten auf den gepreßten Plat­ten. Das einzige wirklich reich geschmückte Exemplar ist der nicht von einem Ungar hergestellte Kelch von Vizakna, der der prächtige und einzige in Ungarn befindliche Ver­treter des italienischen Grubenschmelzes ist (Nr. 5). Eines der großartigsten Prachtwerke der ungarischen Goldschmiedekunst des frühen 15. Jh. ist der Kelch von Torna, dessen eingravierte Heilige auf dem Kuppakorb einen Hintergrund aus Grubenschmelz haben (Nr. 9). Durchsichtige Emailverzierung bildet die einzigartigen Muster des Kelches von Gyalakuta (Nr. 26). Um die Jahrhundertmitte erscheint ein technisches wahres Wunder, das Drahtemail, in ganz Europa ungari­sches Email genannt, auch auf Kelchen. Nach unseren Angaben stammen die meisten von ihnen aus sieben­bürgischen Goldschmiedewerkstätten. Aus tordiertem Draht wurden Sträuße mit abwechslungsreichen Blumen­mustern gebildet, und in diesen tordierten Rahmen goss man das Email mit wunderschönen warmen Farben: meh­rere Blautöne, Rot, Violett, Grün, Weiß und Gelb. Die Blumen der frühen Exemplare haben Blütenblätter ver­schiedener Form, jede einzelne Blume ist anders gestal­tet, mit vielfältigen Farben, und hat herzförmige grüne Blätter. Im 2. Drittel des Jahrhunderts werden diese Blu­men einheitlicher, alle haben die gleichen kleinen, run­den Blütenblätter, die große Mannigfaltigkeit ist ver­schwunden. Die runden oder tropfenförmigen emaillier­ten Platten wurden am Kuppakorb und am Fuß ange­bracht, und es gibt wenige Ausnahmen, wo nur die Sei­ten des Bechers mit emaillierten Blumensträußen ver­ziert sind (Nr. 27, 28, 29). Das Drahtemail hat man noch im frühen 16. Jh. ver­wendet, sein schönstes Denkmal ist der Baköcz-Kelch (Nr. 44), doch auf ihm sind die Konturen der Blumen schon schablonenartiger, von einfacherer Zeichnung, und vom früheren vielfarbigen Email sind nur Dunkelblau und Grün geblieben, mit kleinen, gelben Blütenstempeln. Eine interessante Erscheinung gegen Ende des 15. Jh. ist die Wiederkehr der schon im 11. bzw. 13. Jh. be­liebten und verwendeten Filigrantechnik in der ungari­schen Goldschmiedekunst: Auf den Grundplatten unter­schiedlicher Form schuf man Muster aus tordiertem Draht, auf die winzige Kügelchen verschiedener Größe einzeln aufgelötet wurden, sodass insgesamt eine prachtvolle glitzernde Oberfläche entstand. Die Technik eignete sich in erster Linie für die Verzierung von Schmuck, doch verwendete man sie mit Vorliebe auch auf liturgischen Gefäßen. Gewöhnlich wurden diese so verfertigt, dass die runden, drahtemailverzierten Platten mit Filigran­platten abwechselten (Baköcz-Kelch, Nr. 44), in einer anderen Variante wurden die Flächen zwischen den run­den Platten mit filigrangeschmückten Platten ausgefüllt (Nyári-Kelch, Nr. 25 und Nr. 29). Gleichzeitig wurden in den Goldschmiedewerkstätten auch Kelche nur mit Filigran Verzierung geschaffen; in unserer Sammlung befinden sich zwar bloß zwei derartige Prachtwerke (Nr. 37-38), aber es gibt in mehreren kirchli­chen Schatzkammern Parallelen zu ihnen. Die meisten ähnlichen Stücke befinden sich in der Schatzkammer von Gyöngyös, wo sich im dortigen Kloster eine große Werk­statt befunden haben wird - vielleicht entstanden auch die unsrigen beiden dort -, doch gibt es zwei Exemplare auch in der bischöflichen Schatzkammer von Győr 4 und eine ganze Reihe von ihnen in den siebenbürgischen Kirchenschätzen. 5 Nach Brauns Forschungen ist nicht nur das Drahtemail, sondern auch das Filigran eine ungari­sche Spezialität; hier entstanden die schönsten Stücke der Epoche (BRAUN 1932, 150): Er hält auch die in Europa verstreuten Prachtwerke für ungarische Arbeiten. Einzigartig ist die Emaillierung des Brözer-Kelches; lange wurde sie für einen Vorläufer des siebenbürgischen Emails gehalten. Im Laufe einer eingehenderen Beschäf­tigung mit dem Kelch stellte sich heraus, dass der Gold­schmied István Brözer aus Kolozsvár um 1626 zwei Jah­re in Frankreich verbrachte, was die in Ungarn unge­wöhnliche Mustergebung des Nodus, eine spezifische Art des Grubenschmelzes, erklärt. Auch die Form und Farben der durchbrochenen emaillierten Ranken am Kelchfuß sind ungewöhnlich, ihre nächsten Parallelen sind beim ungarischen Renaissance-Schmuck (z.B. Patro­na Hungariae-Anhänger) zu finden. 6 Daraus ist zu schlie­ßen, daß Brözer auch Schmuck für den Hof des Fürsten Georg I. Rákóczi gefertigt hat. Die Spätrenaissance in Ungarn überraschte die Welt erneut mit einem prachtvollen Email, dem nach seinem Entstehungsgebiet siebenbürgisches Email genannten Wunder. Es ist eigentlich eine Variante des Zellenemails: AufPlatten. die mit Nieten auf die Oberflächen der Objek­te befestigt waren, wurden abwechslungsreiche Blumen­muster mit regelmäßigen kleinen Zellwänden gestaltet, in die das Email gegossen und dann gebrannt wurde. Die fertig ausgebrannte Fläche wurde dann zum zweiten Mal mit einem feinen Pinsel in minuziöser Arbeit übermalt und erneut gebrannt. Auf diese Weise entstanden unglaub­lich schöne, farbenreiche, reich schattierte Muster, die in erster Linie bei Schmuck verwendet wurden. Aber es gibt sie auch auf Gefäßen; ein Teil der sog. geblümten Gefäße war mit solchen schönen, farbigen Emailblumen verziert. Natürlich erscheinen sie auch auf liturgischen Objekten ­leider besitzt unsere Sammlung nur einen einzigen Kelch mit siebenbürgischem Emaildekor (Nr. 68).

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