Kolba H. Judit: Liturgische Goldschmiedearbeiten im Ungarischen Nationalmuseum. 14.-17. Jahrhundert. (Catalogi Musei Nationalis Hungarici. Series Mediaevalis et Moderna 1; Budapest, 2004)

DIE LITURGIE UND IHRE OBJEKTE

Zur Verzierung wurden in der abendländischen Gold­schmiedekunst während des ganzen Mittelalters ein­schließlich der Renaissance Edelsteine und Perlen in gro­ßer Menge verwendet. Die in Ungarn erhalten gebliebe­nen Kelche zeugen davon, daß die hiesigen Goldschmie­de die Edelsteine nicht allzusehr kultivierten - wir haben kaum edelsteingeschmückte Kelche -, sie bevorzugten eher das technische Können. Perlen und Edelsteine schmücken bloß den Ernuszt-Kelch (Nr. 31), ansonsten bestand die einzige Verzierung vieler Kelche aus in den Zapfen des Nodus gefaßten Halbedelsteinen - meistens Granaten (Nr. 31, 32, 37,48) oder Glaskristallen (Nr. 46). Auf den spätesten Kelchen findet sich hie und da schon ein eingeschlagenes Meisterzeichen, wir wissen also bei einigen Kelchen, von wem und in welcher Goldschmiede­werkstatt sie verfertigt wurden. Da zur Arbeit der Gold­schmiede die Herstellung von profanen wie auch liturgi­schen Gegenständen gehörte, schufen sie selbstverständ­lich die für die Kirchen bestimmten mit der gleichen Kunst­fertigkeit wie die Prunkgefäße für die Schatzkammern des Hochadels. Obwohl der Gebrauch des Meisterzeichens schon im 17. Jh. obligatorisch war, haben wir leider nur auf dem kleineren Teil unserer erhalten gebliebenen Kel­che einen Einschlag, der auf den Namen eines Meisters hinweisen dürfte. So können wir dem Namen nach nur Mihály Allert von Besztercebánya, György Szentjóbi von Komárom und Christian Erkeder von Brassó zu den unga­rischen Meistern rechnen, von denen wir je einen Kelch besitzen. István Brózer gravierte seinen Namen in den Schaft des Kelches. Schließlich müssen wir noch die bekannten Heili­gen erwähnen, die mit einem Kelch abgebildet wurden, d. h. zu deren Attributen der Kelch gehörte: Apostel St. Thomas, St. Thomas von Aquino, St. Bonaventura, St. Benedikt, St. Johannes der Evangelist (aus seinem Kelch erhebt sich eine Schlange), St. Ottilie (zwei Augen - sie war blind geboren), St. Hugo (über dem Kelch das Jesus­kind), St. Barbara (nebst dem Turm), St. Onofrius, St. Norbert, St. Eligius, St. Florinus, St. Mainrad, und unter den Tugenden halten der Glaube (fides) und die Liebe (caritas) einen Kelch. Das Lamm Gottes (Agnus Dei) erscheint oft mit dem Kelch, welcher das vergossene Blut auffängt. Auf Ge­mälden der Leiden Christi findet sich der Kelch bei zwei Gelegenheiten: als Jesus auf dem Ölberg betete „Vater, willst du, so nimm diesen Kelch von mir; doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe" (Lk 22,42), und dann, als es heißt „Es ward aber sein Schweiß wie Blutstropfen, die fielen auf die Erde" (Lk 22,44), und diese Blutstropfen ein Engel in einem Kelch auffängt. Und auch in den Szenen des Kreuzweges, besonders in dessen mittelalterlichen Varianten, ist oftmals entwe­der schwebend an der Seite des Gekreuzigten oder in der Hand eines fliegenden Engels der Kelch zu sehen, der sein sich in einem Strahl ergießendes Blut auffängt. 7 Auch dies ist die bildliche Wiedergabe des biblischen Textes darüber, was die Soldaten nach seinem Tode taten: „als sie aber zu Jesu kamen, da sie sahen, daß er schon gestorben war ... der Kriegsknechte einer öffnete seine Seite mit einem Speer, und alsobald ging Blut und Wasser heraus." (Joh 19,33-34). Unter die Kelche des Katalogs nahm ich alle aus mittelalterlichen Kirchen stammenden Stücke auf, die entweder für den Dienst in der betreffenden Kirche ge­fertigt worden oder später, in den Jahrhunderten der Reformation, in katholischen Kirchen im Gebrauch ge­blieben waren. In der Zeit der Glaubenskämpfe der Re­formation wechselte manche Kirche öfter den Besitzer, doch blieben die liturgischen Geräte im Allgemeinen an ihrem Platz, deshalb konnte es geschehen, dass die gleichen Gegenstände von allen drei Kirchen gebraucht wurden. Deshalb wurden hier natürlich jene mittelal­terlichen Kelche aufgenommen, die im 20. Jh. von pro­testantischen Kirchen verkauft wurden, aber schon in vorprotestantischen Zeiten entstanden waren. Im All­gemeinen sind die protestantischen liturgischen Gegen­stände auch in ihrem Äußeren zu unterscheiden, viele von ihnen waren von skularen Patronen gestiftet wor­den. Ein einziger Kelch wird im letzten Kapitel behan­delt, der von Csenger (Nr. 137), der sich durch seine ungewöhnliche Größe und bauchige Form sowie die charakteristische Inschrift von den Stücken des Kapi­tels „Kelche" unterscheidet. PATENEN (KAT. NR. 69-88) Der Name kommt vom lateinischen patena, eine unga­rische Entsprechung dafür gibt es eigentlich nicht. Dar­unter ist ein Schälchen, ein Teller zu verstehen, aber so werden sie selten genannt, auch im allgemeinen Ge­brauch ist die lateinische Form üblich. Sie wurden bis zum Ende des 19. Jh. gleichfalls mit dem Hammer getrieben, wie einzelne Teile des Kelches. Die meisten Patenen sind rund, nur bei den Reformier­ten gibt es einige viereckige Formen. 8 Auch die Patene der Ostkirche ist anders: die dortigen runden Patenen stehen auf einer Basis und heißen dann Diskos. Im frü­hen Material des Ungarischen Nationalmuseums gibt es weder solche noch viereckige Patenen. In der Liturgie spielt die Patene eine wichtige Rol­le, in den frühen Jahrhunderten lagen die von den Gläu­bigen mitgebrachten Brotstückchen darauf, und vom

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