Lovag Zsuzsa: Mittelalterliche Bronzgegenstände des Ungarischen Nationalmuseum, (Catalogi Musei Nationalis Hungarici. Seria Archeologica 3; Budapest, 1999)

Einführung - Die mittelalterlichen Bronzegegenstände des Ungarischen Nationalmuseums

entstanden sein. Das auf einer abgeflachten Kugel stehende, aus einem Löwenmaul herauswachsende einfache Kreuz und der kleine Korpus mit Krone stimmen im Typ mit der die meisten Stücke aufweisenden Gruppe überein. Die im 12. Jahrhundert entstandenen und vermutlich bis 1241 in Gebrauch gewesenen Kreuze und Korpusse weisen sehr variantenreiche Formen auf, bei denen sich einige aus unterschiedlich vielen Exemplaren bestehende Gruppen unterscheiden lassen. Die größte Gruppe ist durch fünf Prozessionskreuze und vier eigenständige Korpusse vertreten, drei von ihnen gehören zur Sammlung des Nationalmuseums (Kat. Nr. 43, 44, 68). Die übrigen befinden sich in der Schatzkammer des Domes von Kalocsa, im Balaton Museum von Keszthely (LOVAG 1978), im Bayerischen Nationalmuseum in München, im Stadtmuseum Topolcany (Nagytopolcsány, Slowakei) (RUTTKAY 1979, Nr. 26), im Museum von Békéscsaba und in einer Budapester Privatsammlung. Außer dem Münchener Kreuz unbekannter Herkunft wurden alle im Kar­patenraum in der Erde gefunden. Die Kreuzbalkcn enden in Kugeln bzw. runden Platten oder Wiederkreuzen und sind in ganzer Länge mit graviertem Flechtband oder Ranken verziert. Letztlich läßt sich dieser Kreuztyp auf byzantinische Vorbilder zurückfuhren (LOVAG 1978). Die Korpusse sind Figuren mit frontaler Haltung, flacher Bandkrone, kurzem, rockartigem Lendenschurz und schmalen, langen Armen und Beinen. Ein typisches Detail ist die annbandartige Einkerbung am Handgelenk, die ein Charakteristikum der Reliquiar-Pektoralkreuze vom Typ des Heiligen Landes und der nach ihrem Vorbild gefertigten ungarischen Brustkreuze darstellt. Diese neun fast identischen Korpusse und die zu ihnen gehörigen, aus identischen Vorbildern abzuleitenden Kreuze sind mit großer Wahrscheinlichkeit Erzeugnisse einer gemein­samen - Kloster - Werkstatt, die vermutlich in Trans­danubien zu lokalisieren ist. Bestimmte Elemente dieses bisher durch die meisten bekannten Stücke vertretenen Kreuztyps tauchen auch an Kreuzen nach dem Mongolensturm, in der zweiten Hälfte des 13. Jahr­hunderts auf (Kat. Nr. 59, 60, 77 und KOVÁCS 1962, 1968, LOVAG 1983), was ebenso ihre Verbreitung im Mittelalter beweist. Bei zwei weiteren kleineren Gruppen läßt sich die Herstellung in ein und derselben Werkstatt annehmen. Zu der einen gehören drei, knospende Äste darstellende, am Ende der Balken mit Bergkristallen verzierte Kreuze, deren fast identische Korpusse Bandkrone mit Giebeln auf dem Haupt tragen. Von ihnen befindet sich leider keines im Nationalmuseum, eines ist Eigentum des Ferenc-Móra-Museums in Szeged (PATAKY 1957), eins befand sich in der früheren Andrássy-Sammlung (CZOBOR - SZALAY 1897, 66-67, Abb. 86) und eins wurde an der Donau, in Ritopek gefunden und liegt im BelgraderNationalmuseum. Als ein Stück bescheidenerer Ausführung derselben Werkstatt kann ein Korpus im Nationalmuseum gerechnet werden (Kat. Nr. 75). Zu der anderen Gruppe können ebenfalls drei Kreuze mit sich verbreiternden Balken mit einem schmalen Bandrahmen gezählt werden, von denen zwei in Transdanubien zum Vorschein kamen, während eines - ohne Korpus - das Nationalmuseum von einem Kunsthändler ankaufte, welches angeblich in Großwardein (Nagyvárad, Oradea, Rumänien) gefunden wurde (Kat. Nr. 51 ). Der Kopf des Korpus der beiden transdanubischen Kreuze (Kat. Nr. 50 und Stuhlweißenburg (Székesfehérvár, König-Stephan­Muscum) von einer durchbrochenen Glorie mit Kreuz umgeben ist, was nur noch an einem einzigen Kreuz (Kat. Nr. 57) im ungarischen Fundmaterial vorkommt. Bei den in Ungarn hergestellten Kreuzen smd die knospende Äste imitierenden Stücke viel häufiger als im europäischen Durchschnitt (Kat. Nr. 45, 46, 47, 48 und die oben erwähnten Stücke mit Bergkristallen), und im Grunde genommen stellen den Lebensbaum auch die Kreuze mit gravierten oder punzierten Ranken dar (Kat. Nr. 44,56,58,59,62). Innerhalb eines Typs unterscheiden sich allerdings die Formen von Kreuz und Korpus recht erheblich, so daß sie keinesfalls aus gemeinsamen Werkstätten stammen, sondern viel eher als Vertreter eines ungarischen Geschmackes bzw. Stilempfindens gelten können. Ähnlich groß ist der Anteil von den lebenden Christus darstellenden Korpusse mit Krone, frontaler Haltung und offenen Augen. Von Kreuzen aus der Periode vor dem Mongolensturm gibt es im Nationalmuseum nur ein mit Gewißheit nicht in Ungarn hergestelltes Exemplar (Kat. Nr. 53), ein weiteres Kreuz ähnlicher Form stammt vermutlich ebenfalls aus dem Import, was sich aufgrund des fehlenden Korpus aber nicht sicher feststellen läßt (Kat. Nr. 54). Alle beide sind großformatige Kreuze mit tafelförmigen Balkenenden und ovalen Löchern für die einstigen Edelstcinverzierungen. Vor allem aufgrund des bei einem erhaltenen Korpus konnte die Herkunft aus Schwaben festgestellt werden, und dieser Emfluß schemt sich an einem Kreuz ungarischer Herstellung (Kat. Nr. 55) und emigen Korpusse (Kat. Nr. 71, 72) feststellen zu lassen. Sehr selten unter den ungarischen Kreuzen ist jener Typ, bei dem außer dem Korpus auch andere Gestalten abgebildet sind. Auf den kompliziert geformten Balkenenden eines beachtenswerten Stückes sind gegossene Engelfiguren aufgenietet bzw. die Halbfiguren Mariens und des Evangelisten Johannes in Trauerhalning. Auf der Rückseite des Kreuzes in der Mitte findet sich das Agnus Dei und am Ende der Balken die recht primitive Gravur der Evangelistensymbole (Kat. Nr. 57). Eine nahe Parallele des Korpus befindet sich im Herman-Otto­Museum von Miskolc, zusammen mit einem Fragment

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