Lovag Zsuzsa: Mittelalterliche Bronzgegenstände des Ungarischen Nationalmuseum, (Catalogi Musei Nationalis Hungarici. Seria Archeologica 3; Budapest, 1999)

Einführung - Die mittelalterlichen Bronzegegenstände des Ungarischen Nationalmuseums

ist mit zwei Exemplaren in der Sammlung des Unga­rischen Nationalmuseums vertreten (Kat. Nr. 25, 26). Die Fundumstände mehrerer Kiewer Kreuze beweisen, daß sie schon im Mittelalter nach Ungarn gelangten (Kat. Nr. 18, 19), vermutlich zusammen mit auch in Ortsnamen erscheinenden nissischen Ansiedlem. Die Reliquiar-Pektoralkreuze aus dem Heiligen Land wurden fast überall in ihrem Verbreitungsgebiet, vor allem aber im Einflußbereich der Ostkirche, nachgeahmt. Auch im ungarischen Material gibt es eine Gruppe von Pektoralkreuzen, die keine Reliquienbehälter sind, deren Fonn und Verzierung aber eindeutig auf Vorbilder aus dem Heiligen Land hinweisen (Kat. Nr. 27-35). Es sind gegossene Kreuze mit sich verbreiternden Balken und Aufhängeöse, auf der Vorderseite die recht primitiv geformte Reliefdarstellung Christi, zumeist mit Lendenschurz. Ihre Rückseite ist im allgemeinen unverziert oder zeigt Einritzungen bzw. ein Kreuz mit gleichlangen Balken (Kat. Nr. 29, 30). Bei den einfachen, in Ungarn verfertigten Pek­toralkreuzen lassen sich klemére und größere Gruppen unter den vielfältigen Darstellungen abgrenzen, die großer Wahrscheinlichkeit nach die Erzeugnisse ein und derselben Werkstatt sind. Von dem Kreuz mit der Kat. Nr. 32. kennen wir vier weitere, sehr ähnliche Varianten von transdanubischen Fundstellen, und von zwei ostungarischen Kreuzen (Kat. Nr. 28, 29) wurden Exemplare aus derselben Gußform im Friedhof des 10­11. Jahrhunderts in Püspökladány gefunden. Die Kreuze stammen fast ausschließlich aus Friedhöfen des 11. Jahrhunderts, und damit stimmt ihre Herstellung zeitlich mit dem hiesigen Vorkommen und der Verwendung der Reliquienbehälter aus dem Heiligen Land überein. Es gibt nur ein einziges ms 12. Jahrhundert zu datierendes Exemplar (Kat. Nr. 36), das keinerlei Bezüge mehr zu den byzantinischen Vorbildern aufweist und nur ein winziges Charakteristikum von ihnen, die armbandartige Einkerbung am Handgelenk Christi bewahrt hat. Es gibt in der Sammlung ein einziges Email­pektoralkreuz, dessen Herkunftsort und Zeitbestimmung beide fraglich sind (Kat. Nr. 37). Parallelen dieses recht sonderbaren Stückes smd nur aus emem Schatzfund aus der Nähe von Prag bekannt, in dem drei ähnliche Kreuze zusammen mit Reliquiarkrcuzen vom Typ des Heiligen Landes gefunden wurden. Das in der Umgebung von Pécs gefundene Kreuz des Ungarischen Nationalmuseums wurde aufgrund des Prager Fundes zu bestimmen versucht. Es gibt noch einige gotische bronzene Pektoralkreuze in der mittelalterlichen Sammlung. Außer dem den Lebensbaum imitierenden Kreuz (Kat. Nr. 38) aus dem Schatzfund von Könnend aus dem 14. Jahrhundert sind es sämtlich aus zwei gelenkig aneinandergefügten Seiten bestehenden Kreuze mit dreibogigen Balken. Nur von einem sind beide Seiten vorhanden, die Vorderseite zeugt auf den Balkenenden gegossene aufgenietete Evange­listensymbole, der Korpus fehlt. Auf der Rückseite befindet sich ein graviertes Kreuz mit lilienförmigen Balkenenden, und in der Viemng in einem kreisförmigen Feld die gotische Minuskel „m" (Kat. Nr. 41.). Von zwei ähnlichen Kreuzen ist nur die Rückseite erhalten, mit ähnlichen lilienförmigen Balkenenden graviertem Kreuz verziert (Kat. Nr. 39, 40). Vortragekreuze und Korpusse (Kat. Nr. 42-90) Der überwiegende Teil der romanischen Bronzekreuze zweifacher Bestimmung — auf eine Stange gesteckt zu tragen bzw. auf den Altar zu stellenden Fuß gesetzt ­zufällig oder bei Grabungen zutage gekommen sind. Aufgrund ihres Alters ist als sicher vorauszusetzen, daß sie mehrheitlich während der Verwüstimg des Landes beim Mongolensturm (1241) in die Erde gelangten. Vom Material her gehörten sie nicht zu den mit besonderer Sorgfalt geretteten oder des Raubes würdigen Schätzen, so daß die Erde die Kreuze aus den zerstörten und angezündeten Kirchen für die Nachwelt bewahrt hat. Mit Ausnahme von einigen sind die Prozessionskreuze ungarische Erzeugnisse und unterscheiden sich nachdrücklich von den westeuropäischen Denkmäler. Im allgemeinen sind sie erheblich kleiner als jene, ihr Material ist Bronze, anders als das im Westen eher verwendete Messing. Vor allem aber unterscheiden sie sich im Stil, die Kreuze sind einfacher, weniger detailliert in der Form und desgleichen auch die Christusgestalten auf ihnen. Viele sind ein den lebenden Christus darstellender Korpus in gerader Haltung, mit offenen Augen und Krone, während die zugehörigen Kreuze mit ihren knospende oder von Nebenzweigen befreite Äste darstellenden Balken denArbor Vitae, den „Lebensbaum" symbolisieren. Entsprechend der europäischen Praxis verbreitete sich die Werwendung der bronzenen Prozessionskreuze auch in Ungarn im 12. Jahrhundert. In der Sammlung des Nationalmuseums befindet sich ein einziger früherer, auf das Ende des 11. Jahrhunderts datierbarer Korpus (Kat. Nr. 67), dessen Relationen und gewisse Teile an den an Byzanz erinnernden Korpus des auf Bestellung von Königin Gisella zwischen 1006 und 1038 verfertigten edelsteinverzierten Goldkreuzes erinnern (München, Schatzkammer der Residenz). Das früheste der Prozessionskreuze aus dem 12. Jahrhundert ist das Exemplar aus dem Grab des 1196 beerdigten Königs Béla III. (Kat. Nr. 42). Es gelangte in stark abgewetztem, zerbrochenem und repariertem Zustand ins Grab, nach Ansicht von Eva Kovács, die das Grabensemble bearbeitete, mag es in der Jahrhundertmitte

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