Lovag Zsuzsa: Mittelalterliche Bronzgegenstände des Ungarischen Nationalmuseum, (Catalogi Musei Nationalis Hungarici. Seria Archeologica 3; Budapest, 1999)

Einführung - Das mittelalterliche Bronzehandwerk in Ungarn

Periode auch in anderen Gebieten Europas. Im schwäbischen Material gelang es, das Verbreitungsgebiet der aus der Werkstatt des Reformklosters Hirsau stammenden Prozessionskreuze nachzuweisen, das die Filialen und Pfarrkirchen der Umgebung umfaßte (HIMMELHEBER 1961). Die Werkstätten der innerhalb der ungarischen Bronzekreuze abzusondernden kleineren oder größeren zusammenhängenden Gruppen können nicht lokalisiert werden. Einzig die Werkstatt der größten Gnippe, vertreten durch Nr. 43, 44 und 68 im Katalog, wurde versucht, in der Umgebung des Krönungs- und königlichen Begräbnisplatzes Stuhlweißenburg (Székesfehérvár) - des „ungarischen Aachen" - zu lokalisieren. Diese Annahme gründet auf jenen stilis­tischen und formalen Parallelen, welche die flachen Reifenkronen-Korpusse dieser Gruppe und die Ran­kenverziening von ein bis zwei Kreuzen mit dem einst in Stuhlweißenburg und heute in der Schatzkammer des Benediktinerklosters Melk aufbewahrten Reliquiars verbinden (LOVAG 1978). Aus den Fundumständen der Kreuze dieser Gnippe läßt sich allerdings nicht auf ihr einstiges Verbreitungsgebiet rückfolgern. Die weiteren für das Bronzehandwerk des 12. Jahrhunderts typischen Gegenstände, die Leuchter und Aquamanilen, sind größtenteils aus dem Ausland ­zumeist aus dem süddeutschen Raum-hierher gelangte Importe. Die berittene Jäger darstellenden Aquamanilen und aufgrund seiner engen Stilverwandtschaft mit ihnen ein löwengestaltiges GießgcFäß aus dem Budapester His­torischen Museum können als ungarische Arbeiten betrachtet werden. In diesen Tierfiguren sehen wir den direkten Einfluß der kaukasischen und dagestanischen Tierdarstellungen und nicht den an den westeuropäischen Aquamanilen von der Fachliteratur vielfach festgestellten des westlichen Islam. Die auf den ungarischen Münzen des 12. Jahrhunderts erscheinenden islamischen Stil­elemente, die sich auf die in der Münzprägung eine Rolle spielenden „Ismacliten" und die im Karpatenbecken lebende bedeutende muslimische Bevölkerung be­ziehenden historischen Quellen bilden die Basis, auf der die ungarische Gruppe der Aquamanilen zustande kommen konnte. Infolgedessen ist die Werkstatt der weltlichen - berittene Jäger darstellenden - Figuren nicht in Klöstern, sondern eher im Kreise der Goldschmiede in der Münze anzunehmen. Die meisten Gegenstände des westlichen mittel­alterlichen Bronzehandwerks - und damit auch die Pro­zessionskreuze und Aquamanilen - bestehen eigentlich nicht aus Bronze, sondern aus Messing. Die bedeutendsten Produktionszentren des Legierungsmatcrials Messing entstanden an den Fundorten des bis zum 16. Jahrhundert nur im Erzzustand bekannten und verwendeten Zinks ­im Maas-Tal, in Dinant und in der Harzgegend. Es war leichter, das reine Kupfer zum Fundort des in der Masse viel größeren Zinkerzes zu transportieren. Anders als das westeuropäische verwendete das ungarische Bronzehandwerk-unseren bisherigen Kenntnissen nach - ausschließlich die aus der Legierung von Kupfer und Zinn bestehende Bronze, so daß die Importstücke fast schon aufgrund ihres Materials abzusondern sind. Diese - bei den Prozessionskreuzen in allen Fällen auch durch die Stilkritik bestätigte - Charakteristik grenzt auch die aus Bronze gegossenen Jägeraquamanilen von den importierten Gießgefäßen aus Messing ab. Im Material des 12. Jahrhunderts verdienen auch die Pferdegeschrrrbeschläge Erwähnung, nicht so sehr aber aufgnind der Qualität der Stücke, als eher ihrer Menge. Die zumeist durchbrochenen, gegossenen Scheiben waren - wie zeitgenössische Abbildungen bezeugen - auf dem Sielenriemcn befestigt. Soweit wir das wenig bedeutende und deshalb wenig publizierte Material kennen, sind ähnlich durchbrochene Scheiben, wie sie der Katalog mitteilt, für Mitteleuropa charakteristisch, welche - der österreichischen Forschung gemäß - aus den Nomaden­kulturen des Ostens durch Vermittlung der Ungarn nach Europa gelangten (BEININGER-KLOIBER 1962). Die romanischen Bronzeerzeugnisse stammen überwiegend aus Klosterwerkstätten, die auch andere Zweige der Goldschmiedekunst pflegten. Davon zeugen zahlreiche - westeuropäische - historische Quellen­angaben und nicht zuletzt die sich auf seine direkten praktischen Erfahnmgen stützende Arbeit des Presbyter Theophilus, die Schedula diversarum artium, in der die klassischen Gold- und Silberschmiedeverfahren zusammen mit der Technik des Wachsausschmelzgusses der Glocken und sonstigen Bronzegegenstände be­schrieben werden. In den ärmlichen ungarischen historischen Quellen gibt es keine ähnlichen Angaben, aber die auffälligen stilistischen Übereinstimmungen des Prozessionskreuzes Nr. 50 im Katalog mit einem in Feldebrö gefundenen kleinen goldenen Pektoralkreuz geben die Herkunft in einem identischen Kreis an. Im 14. Jahrhundert verlagert sich das Bronzegewerbe überwiegend in die Gießereien der Städte, vor allem in die Bergstädte der Zips und Siebenbürgens in der Nähe der sehr bedeutenden Kupfergruben in den Karpaten, doch gibt es auch aus anderen Städten Angaben über Gießereien und Kupfer- bzw. Bronzehandwerker. Sie produzierten in erster Linie Glocken und Taufbecken, seitdem 15. Jahrhundert Geschütze und vemiutlich auch kleinere Gebrauchsgegenstände. Das zwischen 1403 und 1439 redigierte „Ofner Stadtrecht" erwähnt die

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