Lovag Zsuzsa: Mittelalterliche Bronzgegenstände des Ungarischen Nationalmuseum, (Catalogi Musei Nationalis Hungarici. Seria Archeologica 3; Budapest, 1999)

Einführung - Das mittelalterliche Bronzehandwerk in Ungarn

Glockengießer gleichzeitig als „kanclelgiesser, kandier' 1 , was darauf hinweist, daß sie auch Gefäße herstellten. Außer der von Konrad Gaal in Zipser Neudorf (Igló, Spisská Nová Ves, Slowakei) gegründeten Gießerei, die vor allem Glocken und Taufbecken fertigte, wirkte um 1420 noch ein „magister bombardomm et campanarum" in der Stadt. Von 1394 gibt es aus Ödenburg (Sopron) urkundliche Angaben über die Tätigkeit eines „kupfer schmied' 1 , von 1401 aus Kaschau (Kassa, Kosicc, Slowakei) eines „kannengisser" und von 1406 aus Ofen (Buda) eines „rothgiesser" , letzterer machte „pelellas, alias cupreas, caldaria et cetera genera metallorum" . Die bedeutsamsten Zeugnisse des Bronzehandwerks aus dem 14-15. Jahrhundert smd die Taufbecken, von denen üi Kirchen der heute zur Slowakei gehörenden oberungarischen und Zipser Städte mehrere noch an der ursprünglichen Stelle stehen. Der größere Teil von ihnen ist der anderthalb Jahrhunderte hindurch tätigen Werkstatt in Zipser Neudorf zuzuschreiben, deren mehrere Meister wir namentlich keimen. Der Musterschatz der kelch­förmigen Taufbecken vererbte sich innerhalb einer Werkstatt Generationen hindurch, auf der Oberfläche der Becken wurden die reliefartig gegossenen ornamentalen, figuralen und pflanzlichen Verzierungen, manchmal Siegelabdrücke und die Aufschriften in Streifen angebracht. Die Werkstätten der von den Erzeugnissen der Zipser Neudorfer Werkstatt abweichenden Taufbecken von Kaschau, von Preßburg (Pozsony, Bratislava, Slowakei) aus dem Jahr 1409, von Bartfeld (Bártfa, Bardejov, Slowakei) aus der Mitte des 15. Jahrhunderts und von Neusohl (Besztercebánya, Bánska Bystrica, Slowakei) aus dem Jahr 1475 können nicht lokalisiert werden. Das Taufbecken der St.-Elisabeth-Kirche von Kaschau mit denen der Mörser ähnelnden zweiseitigen Henkeln, durchbrochenem Fuß und Nodus, mit seinem hohen trichterförmigen Oberteil und heraldischen Tierre­liefverzierungen entstand noch in der Mitte des 14. Jahrhunderts, und zwar mit zwei anderen ähnlichen Stücken in der Stadt selbst. Der Stil dieser wenigen frühen Stücke steht den siebenbürgischen Taufbecken nahe, für welche der sich ausbiegende Rand des der Glockenform ähnelnden Oberteils und der große, kugelförmige durchbrochene Nodus typisch sind. Die von der oberungarischen abweichende Form des Oberteils ist auch damit zu erklären, daß ihre Meister vor allem Glockengießer waren. Gemäß seiner Aufschrift wurde das Becken in der Dominikanerkirche von Schäßburg (Segesvár, Sigiçoara, Rumänien) 1440 vom Campanist en Jacobus gegossen, und den Fuß des in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts hergestellten Taufbeckens von Mediasch (Medgyes, Médias, Rumänien) ziert die für Glocken typische Aufschrift „O rex glorie veni cum pace". Ganz sicher aus städtischen Gießereien stammen die Mörser, sonstigen Haushalstgefäße, Brunnenfiguren, Leuchter und auch anderen kleineren Gegenstände. Die meisten Mörser im Katalog gehören zum österreichischen und süddeutschen Typ, doch ist es überhaupt nicht sicher, daß sie aus dem Import stammen, möglicherweise haben die ungarischen Werkstätten nur die dortigen Formen übernommen. Die aus dieser Periode erhalten gebliebenen wenigen, fast identisch geformten gotischen Bronzekorpusse sind Massenware mit bescheidenem künstlerischen Anspruch. Von mehreren ihrer Varianten finden sich genaue Abgüsse auf den Zipser Taufbecken des 14.-15. Jahrhunderts, ein Hinweis darauf, daß ihr Modell zum jahrzehntelang ­manchmal jahrhundertelang - bewahrten und ver­wendeten Musterschatz der Gießereien gehörte (SPIRITZA-BORODAC 1975,40,42, 59; LOVAG 1987, 253-256). Aus dem früheren Abschnitt des Mittelalters kennen wir wesentlich mehr Bronzegegenstände als solche aus den folgenden Zeiten, was den Grund haben kann, daß sie mehrheitlich auf irgendeine Weise - in Zerstö­mngsschichten, als Grabbeigaben oder als vergrabene Schätze - in die Erde gelangten und als Fundgut wieder ans Tageslicht kamen. Vom Beginn des 15. Jahrhunderts an verschwand dann die Masse der Bronzegegenstände für den ständig größere Maße annehmenden Geschützguß in den Schmelzöfen. Mit den Kriegen der diese Periode abschließenden Türkenbesetzung begann dieser Prozeß, und noch zur Zeit des Ersten Weltkriegs sammelte man die außer Gebrauch befindlichen Glocken und Mörser ein, von denen einige das Nationalmuseum für die Sammlung anschaffte.

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