KOZÁKY ISTVÁN: A HALÁLTÁNCOK TÖRTÉNETE II. / Bibliotheca Humanitatis Historica - A Magyar Nemzeti Múzeum művelődéstörténeti kiadványai 5. (Budapest, 1944)

I. Die „Contemptus-Mundi"-Literatur

- 107 — Weltanschauung 1, deren Frivolität 2 keineswegs jener oben geschilderten, erhabenen Weltauffassung des Mittelalters entsprechen konnte. Und zur Zeit des Humanismus wur­den sie doch nachgeahmt. Die Gedanken aus Liedern ei­nes Bakchylides, 3 aus Werken Martials und Virgils, fin­den auch in die Contemptus-mundi-Werke Eingang und beeinflussen die mittelalterliche weltanschauliche Einstel­lung pro und contra, wie auch die lateinische Inschrift auf dem mittelalterlichen Turm neben der Brücke Ponte Rotto in Rom 4 den Begriff von der beflügelten Todesfurie das ganze Mittelalter hindurch einem jeden Vorbeigehenden in Erinnerung bringen musste, sodass dieser immerfort wiederholte klassische Einfluss auf die mittelalterliche Todervorstellung, auch auf den im ersten Band meiner GTT schon öfters erwähnten orientalischen Teufels-Tod sicherlich nicht ohne Wirkung war. Fortoul zitiert in sei­ner Totentanzstudie 5 die einstige französische Aufschrift am Südportal der Pariser Kirche zu Ehren der unschuldi­gen Kinder, welche 1408 der Due de Berry für eine Stein­skulptur der Legende von den drei Lebenden und drei To­ten bestimmt hatte, — und ich finde da in den Gedanken der beiden Inskriptionen traditionelle Motivähnlichkeiten, die sich nur als ein lebendiges klassisches Erbe erklären lassen. In einem noch höheren Grade, als durch die zu jeder Zeit bekannten und beliebten altklassischen Inschrif­ten. wurde die mittelalterliche Betrachtungsliteratur durch die „Tröstungen der Philosophie" des Boéthius bereichert. Die „Consolationes Philosophiae" , welche der noch heid­nische Schriftsteller zur Zeit des Verfalls spätrömischer Kultur, — vom Ostgotenkaiser Theoderich in den Kerker geworfen, — nur für sich aufzeichnete und sich dabei ganz der Mentalität des Christentums annäherte, kann ei­gentlich schon als das erste „Contemptus-Mundi"-Werk des kommenden Mittelalters betrachtet werden. Und es war auch das beliebteste Lesebuch mittelalterlicher Klö­slerkreise I Selbst Notker hat die „Tröstungen" ins Deutsche übersetzt und kommentiert. 6 Die Vergänglichkeit des ir­dischen Glücks, der Nichtigkeit der Schönheit, des Reich­tums, und des Sinnengenusses, die Macht des Todes und Gott als das höchste Gut des Erdenlebens, werden hier mit einer Innigkeil geschildert, wie dies auch in den grössten mittelalterlichen Conlemptus-Mundi-Werken nicht häufig vorkommt I Die kulturgeschichtlichen Ursachen der „Memento­Mori"-Ermahnung und des „Carpe-Diem"-Rates, welche von Buchheit in seiner Tolenlanzwerke so schön ergrün­det werden, 7 diese zwiefache Einstellung dem Lebens- und Todesgedanken gegenüber, welche schon M. P. C. Hilscher i. J. 1705 in seiner Totentanzstudie über den Dresdener Totentanz in der Geschichte der Totentänze für so ent­scheidend hält, das Lob der Lebensfreuden im Gegensatze zur Vergänglichkeit und die Verherrlichung der „Wohltat des Todes" den Plagen des irdischen Daseins gegenüber 8 werden aber in den mittelalterlichen Contemptus-Mundi­1 Vgl. die „Römischen Essays" von E. C. Lovatelli, in deut. Übers, von Petersen. Leipzig 1891, Thanatos S. 6—10 und Zitate S. 28—30. 2 Vgl. die Grabschrift des Königs Sardanapal, de­ren erste Verse Cicero ins Lateinische übersetzt hatte, und über welche er erwähnt, dass Aristoteles sie eher der Grube eines Ochsen, als des Grabmals eines Königs für würdig erklärt habe. 3 Vgl. Freybe, Das Memento Mori. Gotha 1909, S. 10—11 ; „Aus den Papyrusrollen des griechischen Dichters Backhylides" von Dir. v. Wilamowitz. Berlin 1898 S. 23. 4 Das Haus nennt man auch „Haus des Pilatus" und „Haus des Cola di Rienzi"; vgl. Lovatelli, a. a. O. S. 51. 5 M. H. Fortoul: Etudes d'archéologie et d" hi­stoire ; torn. 1. Paris 1854: Les Simulachres de la Mort S. 368. 0 Vgl. im ersten Band der Ausgabe Pipers S. 1—303. wo alle fünf Bücher der Schrift verdeutscht in Notkers Stil vorliegen ; vgl. auch im schon zitierten Werke von Paul Th. Hoffmann, a. a. 0. S. 194 ff. und besonders 202 ff. 7 Vgl. Buchheit. DerTotentanz. Leipzig 1926, S. 11-12. 8 Vgl. Ambrosius, De bono mortis und Joh. von Jetzenstein, 1392, Libellus de bono mortis ; vgl. Rehm, a. a. 0. S. 29 und 97. Werken in dem einen einzigen Satze überbrückt : Der Tod ist der Sünde Sold. 9 Dies ist jener allumfassende Gedan­ke, der schon seit dem „Memento Mori"-Gedicht, wel­ches man allgemein Notker dem Deutschen 1 0 zuschreibt, bis zu dem wundervollen Gebete an den Tod des Johan­nes pon Neumarkt, des Übersetzers der „Lebensbeschrei­bung des hl. Hieronymus", 1 1 zur Quelle aller Todes-betrach­tungen wird. Die Aufgabe der Contemptus-Mundi-Werke war zu jeder Zeit, die Ideen der Kirchenväter im Volke zu popularisieren. Sie waren meist dazu bestimmt, dass sie im Klosterrefektorium oder auch vor dem Volke von der Kanzel her vorgelesen werden. Für den mittelalterlichen Maler waren ja die Werke der Kirchenväter unzugänglich, sie hatten ja meist nicht die Bil­dung zu einem solchen Studium ; aber gerade der Umstand, dass die meisten Contemptus­Mundi-Werke und -Gedichte vor der Öffent­lichkeit vorgelesen, ja vielleicht sogar — wie das erwähnte pseudonotkersche Memento Mori — laut vorgesungen wurden, erleichterte dann die Arbeit des Malers, der diese Vergänglich­keitsgedanken auf der Kirchen- oder Kirchhofs­mauer und als Buchillustration darzustellen be­auftragt wurde. 1 2 Das älteste „Contemptus-Mundi"-Werk der Welt ist freilich das Buch Ecclesiastes (der Pre­diger) im Alten Testament, welches ich schon im ersten Bande meiner GTT S. 72 besprochen habe. Nicht nur der „sapiens" und „stultus" stehen dort nebeneinander, sondern auch eine Reihe von anderen Ständen, über welche ein gleiches Urteil ausgesprochen wird : ihr Schick­sal ist „unus occasus" 1 Dabei ist freilich schon auch die Ich-Sprache dieses Buches eine Quelle, aus welcher die ersten Vadomori-Dichter ihre Einfälle schöpfen durften. Dieser Standesge­danke der Vadomorireihe im Buche „Ecclesia­stes" kommt dann später auch in den Todes­gedichten eines Helinandus und Th. de Marly zur Geltung, welche ich noch eingehend zu un­tersuchen entschlossen bin. Der Standesgedanke ist aber auch ein germanisches Erbe. In der eddischen Dichtung „Rigsmál", in dem „Merk­gedicht von Rig", l d wird der Ase Rigr (König) zum Stammvater der Knechte, Bauern und Jarle oder Edelleute, — und eine derartige drei­9 Vgl. Rehm, a. a. 0. S. 30. 1 0 I. J. 1070 geschrieben : vgl. W. Braune. Althoch­deutsches Lesebuch. Halle a. d. S. 1911, S. 156—158; Ehrismann, Geschichte d. deut. Lit. 2. Teil, 1. Frühmitlei­hochdeutsche Zeit. München 1922, S. 184—186 ; Kürschers Nat. Lit. Bd. III. 1. Die geistl. Dicht. S. 31—37: vgl. Rehm. a. a. 0. S. 35; schon der Anfang erinnert an eine alte Tradition der mittelalterlichen Totentänze : „Nü denchent, wib unde man, war ir sulint werden . . . Ir wänint iemer hie lebin : ir muozint ze jungest rede ergeben, ir sulent öll ersterben 1 1 Zwischen 1371 — 1375; vgl. Rehm. a. a. 0. S. 9/—98. 1 2 Vgl. Buchheit, a. a. 0. S. 37; vgl. eine späte, a is dem XVI. Jh. stammende Gedichtsammlung über „Va­nitas vanitatum 1" in der Trierer Stadtbibl. Cod. 1221/617, lateinische und deutsche Gedichte. 1 3 Vgl. die Übersetzung von Karl Simrock in Re­clams Universalbibl. Bd. 1. S. 130 ff. und in der Edda­Ausgabe von F. Genzmer, Thüle 2. Bd. Götterdichlung. S. 113 ff.

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