KOZÁKY ISTVÁN: A HALÁLTÁNCOK TÖRTÉNETE II. / Bibliotheca Humanitatis Historica - A Magyar Nemzeti Múzeum művelődéstörténeti kiadványai 5. (Budapest, 1944)

I. Die „Contemptus-Mundi"-Literatur

fache Einteilung der Volkskasten zeigt sich ja während des ganzen Mittelalters, ja sogar in einem Ständegedicht nach dem Trier-Hom­burger Legendentexte in einer Handschrift zu St. Gallen ! In Freidanks Bescheidenheit tritt dann im Kapitel „von künegen und vürsten" dieser Standesgedanken mit Elementen der To­tenlegenden in Verbindung, wenn es da heisst : „ir hérschaft dunket mich im wint, / sit boese würme ir meister sint". . . Aber auch im Kapi­tel „Von dem Tode" in Freidanks „Beschei­denheit" 1 tauchen schon jene Elemente der mittelalterlichen Betrachtungsliteratur auf, welche uns in den Kreis der Totentanzmotive überlei­ten, wie ja auch Hugo von MontforP über den Tod behauptet, er sei sein ständiger Geselle auf seinem Lebensweg ; — es musste nur diese Idee auf den Standesgedanken übertragen wer­den, um den Begriff von einer Todes-Tanz­Reihe zustande zu bringen ! Das herrlichste Todesgedicht für alle Zei­ten, das für den leuchtendsten Edelstein der Contemptus-Mundi-Dichtkunst gehalten werden darf, entstand in der Umgebung des hl. Fran­ziskus von Assisi. Nur der Geist des Franzis­kanertums konnte zu jener herrlichen Schilde­rung der „letzten Dinge" führen, welche in der Sequenz „Dies irae" so unerreichbar markant eine künstlerische Gestalt erhalten hatte. Kirchliche und klassische Tradition reichen hier einander die Hände, wenn es behauptet wird, dass nach dem Berichte Davids und der Sibylla die Welt „am Tage des Zornes" in Staub verwandelt wird . .. Die schreckliche Furcht vor dem stren­gen Weltrichter, der nach allen Vergehen und Sünden zu forschen im Begriffe ist, wenn sich die Stimme der „tuba mirum" über die ganze Erde verbreiten und alle Auferstandenen vor Gottes Thron zwingen wird, herrscht im ganzen Gedichte vor. Der Tod und die Natur werden in Erstaunen gesetzt, werden stutzen und sich entsetzen, wenn alles Fleisch, alle Geschöpfe, alle Menschen wieder erstehen werden, um dem göttlichen Richter seine Fragen beantworten zu können. Das „grosse Buch" der Weltgeschichte wird herbeigebracht, in welchem sich alles auf­gezeichnet befindet, worüber die Menschheit zur Rede gestellt werden muss. Der Richter wird aber auf seinem Thron sitzen und es wird vor seinen forschenden Blicken nichts verborgen bleiben. Und der weitere Teil des Textes geht in eine „Ich-Sprache" über : „Quid sum miser tunc dicturus ? Quem patronum rogaturus ? Cum vix justus sit securus ?" Was werde dann ich machen ? Welchen Fürsprech soll ich mit mei­ner Verteidigung beauftragen ? — diese Fragen klingen schon, wie die Ich-Monologe der Va­domorigedichte ! Und das herrliche Gebet, wel­ches den zweiten Teil der Sequenz ausmacht ? Gibt es denn überhaubt etwas Grossartigeres, als dieses Emporschwingen zu Gott ? — Und 1 Vgl. Kürschner, Nat. Lit. Bd. 9. S. 350-351. 2 Ed. Bartsch, Lit. Ver. 143. S. 36. 47, 108 usw Rehm, a. a. 0. S. 105. dieses Gedicht soll Thomas von Celano (gest.. ca. 1250), einer der ersten zwölf Gefährten des hl. Franz von Assisi geschrieben haben. Nach dem Berichte von Georges Kastner 3 soll sich die älteste Variante dieser Sequenz auf einem Marmorkruzifix der Franziskanerkirche zu Man­tua befunden haben. Der Anfang dieser Version erinnert sehr lebhaft an die mittelalterlichen Contemptus-Mundi-Texte : „Cogita, anima fidelis, Ad quid respondere velis Christo venture de coelis. Cum deposcet rationem Ob boni omissionem, Ob mali commissionem . . . Und dann folgt erst : Dies ilia, dies irae, Quam conemur praevenire, Obviamque Deo ire. Seria contritione, Gratiae apprehensione, Vitae emen­datione . .. etc. Und nicht „teste David cum Si­bylla", sondern „teste Petro cum Sibylla" soll die Welt am Jüngsten Gericht untergehen ! Die verübte böse Tat und die vernach­lässigte „gute Tat" verursachen also jenen er­sten grossen Unterschied zwischen den ein­zelnen Ständen der Menschheit, — und diese Verschiedenheit der Wege für Gute und Böse ist dann der Ausgang zu den unzähligen klei­neren und grösseren Betrachtungen der Ver­gänglichkeit, welche alle die Geschichte der Vadomorigedichte vorbereiten, und die ich nun in dem nächsten Kapitel besprechen möchte. 2. Contemptus Mundi Schon im ersten Band meiner GTT habe ich die grosse Bedeutung des alttestamentlichen Predigerbuches für Contemptus mundi und Va­domori betont. 4 Nun folgen hier einige verein­zelte Bearbeitungen des Vergänglichkeitsthemas als Vorbereitungen zur Vadomoridichtung. Anfangs sind auf dem Gebiete der Con­temptus-mundi-Literatur keine so berühmte, dem Namen nach bekannte Grössen, wie der Pari­ser Johann Gerson, s Bernhard, oder Vinzenz Beauvais, B zu nennen. Allerdings werden auch die kleineren Denkmäler von dem Contemptus Mundi des hl. Augustinus' beeinflusst, wie z. B. das Werk des Magisters Henricus de Hassia oder auch das Apologeticum de contemptu mundi des Petrus Damiani." Derartige kleinere Contemptus-Mundi-Gedichte besprach ich schon im ersten Band meiner GTT S. 235—242, dar­3 Kastner, Les danses des Morts. Paris 1852, S. 7. Anm. 2. 4 GTT Bd. 1. S. 73a. 5 Vgl. Joh. Gerson, De arte moriendi : Nürnberg Cent. II. nr. 25. d. 39b; IV. 12 f.; V. 90b; Frankfurt, cod. 147, f. 42v. Budapest. Univ. Bibl. cod. lat. chart, s. XV. Nr. 53. 6 Vgl. Rehm. a. a. 0. S. 62. 7 Stift Reun. Hschr. 139. Pp. XVI. Jh.; Wien, cod. 4178, 4334, 4444, 4491. 4518, 4758, 4822, 4944; Budapest, Univ. Bibl. Cod. let. chart, saec. XIV. Nr. 42, f. 36a. 8 Rehm. a. a. 0. S. 64.

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