KOZÁKY ISTVÁN: A HALÁLTÁNCOK TÖRTÉNETE II. / Bibliotheca Humanitatis Historica - A Magyar Nemzeti Múzeum művelődéstörténeti kiadványai 5. (Budapest, 1944)
Zweiter Abschnitt: Romanische Weltanschauungs-elemente im Totentanz
— 83 — figura : Erunt due molentes etc. (Matth. 24) hec habentur carmina : „Uertigo mundi certum genus est pereundi Rara salus constat vt qua molitur rota non stat". Hier dachte der Freskenmaler, wie auch der Dichter dieses Distichon, an die Darstellung der Welt in der Gestalt einer „Mühle", bzw. eines „Mühlenrades", sodass wir hier wieder mit einer Lebensraddarstellung zu tun haben, freilich unter dem Gewände christlicher Symbolik I In dimidia spera sinistri Iateris Crucis vbi habetur figura Duo in agro vno (Matth. 24) Hoc habetur distichon : „Ecclesie matri species famulatur aratri Sed hew non desint subiecti qui male presunt". Während also auf der linken Seite des Gekreuzigten (vom Beschauer aus rechts !) das „Weltmühlenrad", also das „Lebensrad" dargestellt wurde, aus welchem dann die Everymantodesgestalt entstand, befand sich auf der rechten Seite des Erlösers, — die Ecclesia 1 In spera circa Organum, vbi Christus tradit Petro claues regni celorum (Matth. 16) hec habentur: „Ecclesie matris domini summi vice patris Presidet a petra Petrus excellente cathedra". In spera huic opposite in sinistra parte, vbi baptisatur s. Paulus hec habentur : „Qui fuerat Saulus pridem est postea Paulus Tarn bene tarn mire vasis deus vtitur ire". Auch auf den einstigen Fenstern befand sich ein Bilderzyklus, den der Abt Peringer II. i. J. 1177. gründete. Auch auf diesen Bildern der Fenster wurde Christus dargestellt, der den Tod besiegt. Ich teilte hier die Beschreibung der Bilder nach der erwähnten Handschrift des XV. Jahrhunderts und nach der Abhandlung von Endres genau mit, weil wir in der Symbolik, die auf den Darstellungen zur Geltung kam, dieselben Bestrebungen erkennen dürfen, welche auch die erwähnten literarischen Denkmäler und die Zahlenmystik der Dombaumeister ebenfalls charakterisiert hatten. In der Zeitschrift „Römische Quartalschrift für christliche Altertumskunde und für Kirchengeschichte" 1 veröffentlichte i. J. 1896 Sebastian Merkte eine Studie über „Die Ambrosianischen Tituli". Wolfgang Stammler erwähnt in seiner Totentanzstudie 2 diese Abhandlung wohl in der Absicht, darauf hinweisen zu können, dass die Vadomori-Distichen vielleicht ebenfalls „Tituli" von Wandbildern, von Fresken mittelalterlicher Kirchen waren, wie die soeben mitgeteilten „Tituli" aus Regensburg und auch jene „Tituli", welche dem hl. Ambrosius zugeschrieben werden. Merkle zeigt uns, dass die „Tituli" wirklich vom hl. Ambrosius herrühren und noch im IX. Jahrhundert als solche bekannt waren. Sie wurden in Milano auf den Fresken der Basilica Ambrosiana zu Begleittexten verschiedener Darstellungen, — wie in Regensburg. In späteren Jahrhunderten hat dann irgendein Besucher dieser Kirche die ambrosia1 Hg. von Anton de Waal und Heinrich Finke ; X. Jahrgang. Rom. 1896. Herder, Freiburg i. Br.-Spithöver zu Rom, S. 185-222. 2 S. 53, Anm. 19. nischen „Tituli" von den Fresken selbst ziemlich fehlerhaft, nicht ganz lückenlos, und ganz in einer unlogischen Reihenfolge aufgezeichnet. Fast ein jedes Distichon stellt in der einen Verszeile ein Geschehnis aus dem Neuen Testament einem in der anderen Verszeile geschilderten alttestamentlichen Vorbilde gegenüber. Diese „Tituli" sind ein sehr wertvoller Ausgangspunkt für manches Motiv der mittelalterlichen christlichen Symbolik. 3 Der Titel dieser Distichensammlung lautet : Incipiunt disticha S. Ambrosii de diversis rebus quae in Basilica Ambrosiana scripta sunt. Es waren also Freskenaufschriften, Inskriptionen in der Basilika zu Mailand ! Uns interessieren besonders folgende „Tituli": 4 „Maiestate sua rutilans sapientia vibrat Discipulisque Deum, si possint cernere, mostrat". Man dürfte hier fragen, ob sich hier nicht in dieser Vision die geheime Wesenheit Gottes durch irgendein christliches Symbol geäussert hatte, wie dies auf Darstellungen der „göttlichen Weisheit" (Phronesis 1) so manchmal vorkam (Lebensrad, Dreifaltigkeit, die Göttlichkeit mit Waage). 6 Hierauf folgt das 2. Distichon : Aspice Johannem recubantem in pectore Christi . . . etc. Das 7. Distichon lautet : „Joseph (genitivus I) manipulus Christi crux, stellaque Christus, Quem sol.luna Deum coeli terrae quoque adorant". Die Tunika des Joseph, welche mit Blut befleckt wird, wurde scheinbar als Vorbild des Kreuzes Christi gedacht. Ob das Bild Christi Kreuz nicht ebenso dargestellt hatte, wie das Bild im Evangeliar der Uta? Ob Caelum und Terra nicht beim Kreuz standen, wie dies Rudolf Helm in seiner Studie über die Skelettund Totengestalten zeigt (wir kommen noch darauf zurück!)? — diese Fragen zu beantworten wäre heute freilich ganz unmöglich. Die eventuelle Vermutung wäre nicht ganz unbegründet ! Im Zusammenhange mit Joseph, der auch dem niedrigen Stande eines Sklaven Ehre brachte, erscheint nun die „Standesliteratur" in diesen „Tituli", und es wird hier im zehnten Distichon offen verkündet, das die Tugend auch den niedrigen Stand ziert. Das ist ja später auch ein Grundgedanke der Vadomorigedichte ! Das Distichon Nr. 10: „Nil status interior praeclaris moribus obstat : Deformem dominae condemnat servus amorem". Im elften Distichon sieht dann Abraham 3 Vgl. Merkle, a. a. 0. S. 214-222. 4 Nr. XX. bei L. Biraghi : Inni sinceri e carmi di Sant" Ambrogio. Milano 1862, 8°, S. 144—150. B Merkle zitiert hier: Matth. 17, 1 ft.; Marc. 9, 2 ff.; Luc. 9, 28 ff. Ambros. de virginitatec. 19, §. 133. Migne, Pair. lat. XVI, Sp. 302 : Piscalore s duo in monte Domini etc.