KOZÁKY ISTVÁN: A HALÁLTÁNCOK TÖRTÉNETE II. / Bibliotheca Humanitatis Historica - A Magyar Nemzeti Múzeum művelődéstörténeti kiadványai 5. (Budapest, 1944)

Zweiter Abschnitt: Romanische Weltanschauungs-elemente im Totentanz

Hat diese dreifache Perspektive der ger­manischen Weltanschauung auch in den Kul­turepochen des christlich-romanischen Mittelal­ters weitergewirkt ? Ja, sie wird überall zur Geltung kommen 1 Und es entwickelt sich vor unseren Augen im Mittelalter ein Prozess, der an sich schon sehr interressant ist. Die ähnli­chen Motivgruppen, welche sich in der mittel­alterlichen christlichen Kultur aus der christli­chen Weltanschauung, aus der klassisch-anti­ken und romanischen, sowie aus den nach Europa verpflanzten orientalischen Elementen ableiten Hessen, wurden ineinander gedrängt und brachten ein ganz eigenartiges Gebilde zu­stande, zu dessen Kenntnis ich nun einige Beiträge liefern möchte. Im ersten Bande meiner GTT habe ich schon viel über die Motive christlichen, antik­klassischen und orientalischen Ursprungs ge­spochen. Hier darf ich es auch nicht versuchen, ein systematisch zusammengestelltes Material über die Frage zusammenzutragen, wie sich die romanischen Kulturelemente mit allen je­nen Einzelzügen mittelalterlicher christlicher Kultur vermengen. Schon im ersten Bande mei­ner GTT Tafel III. Fig. 5 habe ich jene gno­stische Darstellung veröffentlicht, welche ein Ske­lett auf einem triumphierenden Löwengespann darstellt . . . Und nun haben wir auch auf dem siebenten Steine in Kivik, aus der Urzeit des Germanentums, einen ..Toten-Triumphwagen" ge­sehen ! Wenn wir uns im Kreise der altdeut­schen Volkskunde umsehen, so bekommen wir in den verschiedensten abergläubischen Bräu­chen, in den meisten Totensagen und auch im Rahmen der heutigen deutschen Volksauffas­sung eine interessante Antwort auf die Frage, was die beiden „Toten-Triumphwagen" zu be­deuten hätten : in beiden Fällen ist es der sa­genhafte „Totenwagen", auf welchem die To­tengeister aus der Unterwelt auf die Oberwelt zurückkehren, um die Lebenden mit sich zu schleppen, es ist der „Totenwagen", auf wel­chem der soeben Verstorbene in die Unterwelt zu fahren hat. Auf den Triumphwagen-Bildern der Petrarca-Trionfi werden also diese beiden Auffassungen vom Totenwagen, die germanisch­volkstümliche Auffassung und die klassisch­antike oder gnostisch-orientalische Durchführung derselben Idee, miteinander vermengt. 1 Im vorausgehenden Kapitel wurde es schon erwähnt, dass die Riesen nach altgermanischer Auffassung bald weiss, bald schwarz charakte­risiert wurden ; im ersten Falle betrachtete man sie als die Leiche eines soeben Verstorbenen, im zweiten Falle dachte man an verfaulte, ver­weste Totenkörper. Und die Todesgöttin, die „Frau Tödin" der altgermanischen Mythologie, die Göttin Hellia oder Halja, wird zur Hälfte weiss und zur Hälfte schwarz dargestellt . . . Auf diese Weise wird sie zu einer Vorstufe der 1 Vgl. Donce, a. a. 0. S. 206 : vgl. das Buch,, Pas­seri de Gemmis Astriferis", Bd. II. S. 248. mittelalterlichen „Frau Welt", die auch auf dem Hauptportale des Basler Münsters von vorne wie ein schöner Körper und von hinten wie ein verwester Leichnam aussieht. Überhaupt sind die beiden altgermanischen Gespenster­Göttinen, die man nächtlich auf Wegscheiden und über Dreiwegen in der Gefolgschaft unter­weltlicher Totengespenster zu sehen glaubt, die „Frau Holda" oder „Holle", weiter die „Pe­rahta" oder „Frau Berchta", 2 Prototypen jener mittelalterlichen Todesfurie, welche auch in der „Pilgerfahrt des träumenden Möchs" 3 in einem seltsamen Gemisch von germanischen und ro­manischen Weltanschauungselementen auftritt. Dass die fürchterliche „Perchtel" im Salzburger Gebirge, im Pinzgau und im Gasteinertal mit dem sogenannten „Perchtenlaufen" und „Perch­tenspringen" geehrt wird, dass in der nördlichen Schweiz der Berchtli- oder Bechtelistag von den jungen Leuten in gesellschaftlicher Lust­barkeit gefeiert wird, u. zw. am zweiten Januar, — und wenn Neujahr auf Sonnabend fällt, am dritten Januar, — dies beweist, dass die „ger­manische Todesgöttin" in den Vorstellungen des deutschen Volkes auch heute noch weiter­lebt. Ja, sie wird so ähnlich gefeiert, wie ihr männlicher Partner, der inschriftlich belegte Totengott „Hanno" (Mercurio Chanini) durch den „Hennekin-Umzug". Zur Zeit der „Rauch­nächte" ziehen nämlich in den genannten deut­schen Ortschaften und Ländern hundert bis dreihundert Burschen, „Berchten" genannt, bei hellem Tag in seltsamer Vermummung (!) mit Kuhglocken und knallenden Peitschen bewaff­net von Ort zu Ort, von Haus zu Haus, durch die ganze gebirgige Umgebung und durch die Täler, indem sie hüpfend und springend alter­tümliche Lieder singen und so die Gespenster und Hexen aus allen Häusern, Ställen und Scheunen vertreiben wollen. 4 Wenn Buchheit in seiner Totentanzstudie 15 feststellt, dass sich im Mittelalter die Gegen­sätzlichkeit der Weltauffassungsformen Geltung verschafft habe, und dass sich Aberglaube, Zauberei und magische Wissenschaft ungläu­blich verbreitet hatten, weil man im Mittelalter alles Sichtbare vergeistigt und alles Unsicht­bare versinnlicht, — so gibt er eigentlich schon eine Erklärung für jene weltanschaulichen Er­scheinungen, welche wir hier besprechen möch­ten. Alles Sichtbare vergeistigen. — dies ist ein christlich-romanischer Zug. Dafür zeugen die vielen Legenden in der Legenda Aurea, in den Gesta Romanorum oder etwa im „Fioretti" . . . Alles Unsichtbare versinnlichen, dies ist ein germanischer Zug und wurde schon ca. 1400 Jahre vor Christus auf den Steinbildern zu Ki­vik zur Regel, wenn man z. B. die „drei Göt­tersymbole" von einem „magischen Viereck" 2 Vgl. Grimm, Mythologie Bd. 1. S. 220 ff. 230 ft. 3 GTT Bd. I. S. 206. 4 Vgl. den Hexentusch im Böhmerwald I Grimm, Mythologie, Bd. I. S. 231. 6 Gert Buchheit, Der Totentanz. Leipzig 1926, S, 12.

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