KOZÁKY ISTVÁN: A HALÁLTÁNCOK TÖRTÉNETE II. / Bibliotheca Humanitatis Historica - A Magyar Nemzeti Múzeum művelődéstörténeti kiadványai 5. (Budapest, 1944)

Erster Abschnitt: Germanische Weltanschauungs-elemente im Totentanz

rohe Materie in dieser übersinnlichen Sehnsucht nach Vergeistigung wieder verherrlicht . . . Und diese Sehnsucht, welche primitiv in dem Gisant­Typ versinnbildlicht wurde und bald das Ausle­ben der irdischen Zeitspanne, bald den Hinweis auf eine übermenschliche Erfüllung der unstill­baren Sehnsucht nach Vergeistigung betont, be­wegt sich in der Gefühlswelt des Menschen ... Dann aber erscheint in dieser „zweiten Toten­tanzdimension" auch die Verkörperung des menschlichen Lebenswillens, der Tat in ihrer guten oder bösen Eigenart : und es entsteht die Everyman-Gestalt . . . Zuletzt folgt dann auch die personifizierte göttliche Idee, welche in das Himmelreich oder in die Tiefe der Unterwelt, zum ewigen Licht oder zur ewigen Finsternis führen soll, die verkörperte göttliche Wahrheit und Gerechtigkeit : die Everyman-Todesgestalt. Diese beiden Totentanzdimensionen wur­den also schon im ersten Band meiner GTT ausführlich besprochen. Die „dritte Totentanzdimension" führt uns zum Gesamtwerk, in welchem die Einzelelemente der zweiten Dimension miteinander vereinigt werden und die göttliche, sowie die menschliche Gefühls-, Willens- und Gedankenwelt miteinan­der in eine unzerlegbare Einheit treten. Es ent­wickelt sich aus den Einzelelementen der zwei­ten Dimension : die Gesamtlegende. Diesen Vor­gang darzustellen, begann ich auch schon im ersten Band meiner GTT, das Ziel werden wir aber erst in diesem vorliegenden zweiten Bande erreichen. Und zuletzt: die „vierte Totentanzdimen­sion". Es ist das „formgebende Element", wel­ches zur „Gesamtlegende" hinzutritt : entweder die Auffassung des Sterbens und des Todes als eines mystischen Tanzes, oder ein merkwürdi­ger Volksbrauch, der dann ..Danse Macabre" heisst, und von dem der Totentanz den Namen nachträglich erhält. Und es entsteht die Todes­legendenform oder die Totenlegendenform der Gesamtlegende, die zum Todes- und Toten-Tanz hinüberleitet ! Vom geschichtlichen Standpunkte aus be­trachtet, entwickelt sich also der Totentanz, der Reihe nach, den Gesetzen dieser hier geschil­derten „Dimensionen" entsprechend, welche wir aus einer musikalischen Analogie gewonnen haben. Wenn wir nun auf das Bild in Herkula­neum nochmals zurückblicken, so zeigen sich andere interessante Entsprechungen zwischen den dort dargestellten Symbolen und dem ge­schichtlichen Hintergrund der Totentanzereig­nisse. Am Anfang steht freilich das primitiv-ve­getative Leben der Urvölker. Es ist ein Instinkt­leben, das sich an den Brüsten der „Mutter Erde", der „Mutter Urnatur" empornährt und jene realen Naturelemente erfindet, welche auch den Totentanz später zu einem Totentanz ma­chen : die Betrachtung der Verweslichkeit im Totenkörper, das Ewig-Menschliche in Every­man, das Furchtbare im Todesgesetz und das Magisch-Mystische im Tanz als Gegenwehr . . . Wie also jener Knabe auf unserem Bilde in Herkulaneum durch die Milch der Hirschkuh mit dem realen Instinktleben der Natur in eine unmittelbare Verbindug kommt, so erzeugen uns die vorchristlichen Religionen und die aus ihnen entwickelten Mythologien die Urelemente der Totentanzdarstellung. Dann erreicht aber in ih­rem Gefühls- und Ideenreichtum die griechisch­römische Antike den höchsten Flug, — • wie je­ner Adler unseres Bildes ... Es ist dies nun der „römische Adler", durch dessen Kampf mit dem „germanischen Adler" die mittelalterliche Epo­che entsteht. Der Flug beider Adler macht sich in den überweltlichen Ideen merkbar, welche sich als ein klassisch-antikes oder originell-ger­manisches Erbe im Totentanz kundgeben. Es sind jene Weltanschauungselemente, über wel­che wir gerade in diesem Kapitel sprechen möchten. Die Gestalten des Löwen, des Mannes und des in der Mitte sitzenden Mädchens führen uns bis zum germanisch-romanischen Mensch­heitsideal des Mittelalters, bis zu einer Sapientia der Nonne Hroswith, bis zur Beschaulichkeil eines Notker des Deutschen, bis zur vollkomme­nen Erkenntnis bei Alkuin. Der Mann, dessen Blick sich noch immer in die Instinktwelt senkt, und der Löwe, der immer zum Sprunge bereit ist, stehen nebeneinander, wie Germanentum und Romanentum. Aus beiden zugleich ent­wickelt sich der mittelalterliche Mensch, das Europäertum, d. h. das mittelalterlich-christliche Ritterideal mit germanischer Prägung, wie in der Gestalt des Saeldenritters Parzival bei Wolfram, und das romanisch inspirierte Rittertum, wie dies im „Löwenritter" Gawan eine Gestalt erhält. Der „Mann" auf unserem Bilde ist der „mittel­alterliche Mensch", Everyman, dessen Grundla­gen im germanischen Mannesideal verborgen lie­gen, geleitet wird er vom Genius der christlichen Ideenwelt. Dieser „Genius", der aus dem „Every­man" undausderEverymangeschichteden mittel­alterlichen Totentanz herauskristallisiert, ist, vom Standpunkte der Geschichte der Totentänze aus betrachtet, die mittelalterliche deutsche Mystik, die so tiefgreifend christlich und zugleich auch so markant germanisch sein konnte. Germani­sches Menschheitsideal tritt hier unter der Wir­kung der Inspiration des Engels der „neuen Offenbarung", des Evangeliums, jenen Weg an, welcher zur mittelalterlichen Philosophie, Kunst und Poesie führt. Dieses „Ideal", dem nach­gestrebt wird, besteht aus einer erhabenen Welt­verachtung und Weltflucht, verkörpert in dem schönen Mädchen des Bildes in Herkulaneum, und dieses „Ideal" veranschaulichen auch die Totentänze : Weltverachtung, verbunden mit Selbstironie, ergreift hier den ungehobelten Wan­derstab, d. h. den weitverbreiteten, völkischen Danse-Macabre-Brauch, um aus der Instinktwelt, aus den irdischen Sphären der „drei Nichtig­keiten", der Weisheit, Macht und Sehnsucht (Adler, Löwe und Mann mit Genius), in höhere

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