KOZÁKY ISTVÁN: A HALÁLTÁNCOK TÖRTÉNETE I. / Bibliotheca Humanitatis Historica - A Magyar Nemzeti Múzeum művelődéstörténeti kiadványai 1. (Budapest, 1936)
DRITTER TEIL. Entwicklung der Todes-Tanz- und Toten-Tanz-Motive in der lehrhaften Dichtung des Mittel-alters und in den Urtypen der Todes- und Toten-Legenden - ZWEITER ABSCHNITT. Grundformen der Todes- und Toten-Legenden
konnten und den Jenseitsbericht über das sofortige Urteil der Seelen der Guten und Sünder nach dem Tode ohneweiters annahmen. B. Den zweiten apokryphen Brief soll der hl. Augustinus an den hl. Cyrillus v. Jerusalem geschrieben haben. Der hl. Hieronymus stand ja nicht nur mit dem Papst Damasus in einem regen Briefwechsel, 1 sondern auch der hl. Augustinus schrieb an ihn mehrere Briefe, welche der hl. Hieronymus beantwortete. 2 Sie wussten sich sogar in einigen Fällen über schwierigere theologische Fragen beieinander auf brieflichemWege einen Rat zu holen 8 und berichteten einander über den Stand ihres Kampfes gegen die Häretiker. 4 Es ist also nach dem Gutdünken des Brieffälschers ganz selbstverständlich, wenn der hl. Augustinus in diesem Pseudo-Brief den hl. Cyrillus v. Jerusalem befragt, was er über die Vorgänge nach dem Tode des hl. Hieronymus wisse, 5 und erzählt, dass die Seele des hl. Hieronymus am Tage seines Ablebens ihm erschienen sei, gerade als er an ihn einen Brief schreiben wollte, um ihn über die wahre Beschaffenheit des jenseitigen Lebens, des ewigen Heiles zu befragen. Der hl. Hieronymus, also die Seele eines Verstorbenen, gibt hier dem hl. Augustinus über das jenseitige Leben Auskunft und betont die Tatsache, dass die Seele eines Toten sofort nach dem Eintritt des Todes von Gott abgeurteilt wird, die Sünder ihre Strafe, die Guten ihren Lohn bekommen. Die Person des hl. Hieronymus steht scheinbar zur Möglichkeit eines Jenseitsberichtes in ganz engen Beziehungen. Die meisten Lebensbeschreibungen und Legenden wollen nämlich wissen, dass der hl. Hieronymus in seiner Jugend auch selbst durch eine Überweltsvision vom Lesen heidnischer Bücher abgehalten wurde. Der ewige Richter zitiert ihn vor seinen Thron, er wird wegen der übermässigen Liebe zu den heidnischen Dichtern zur Rechenschaft gezogen und mit Schlägen bestraft. 6 Die Ursache, warum er in dem Pseudo-Brief gerade dem hl. Augustinus in Vision erscheinen muss, um ihn eines Besseren zu belehren, glaube ich in der eigenartigen eschatologischen Anschauung des letzteren finden zu dürfen. Nach der Eschatologie des hl. Augustinus gelangen die Seelen der Verstorbenen kurz nach ihrem Tode an einen „Zwischenort" (abdita receptacula), wo sie in Ruhe oder Besorgnis bis zum Jüngsten Gericht, d. h. bis zur allgemeinen Auferstehung aufge1 vgl. die Briefe 15, 16, 18, 19, 20, 21, 35, 36 bei Migne, Pafr. lat. XXII. (1864). 2 vgl. Migne, Patr. lat. XXU. ep. 56, 67, 101, 102, 103, 104, 105 110, 112, 115, 116, 144. 3 z B. in ep. 131, de origine animae ; ep. 132, de sententia Jacobi epist. 2, 10. 4 z. B. ep. 141, 142. 143 daselbst 5 vgl. Migne. Patr. lat. XXII. (1864) Sp. 281—289 ; Migne. Patr, lat. XXXIII. Sp. 1120-1126 6 vgl. Legenda Aurea, übers, v. Benz, Bd. II. Sp. 229 ff. „Von Sanct Hieronymus". hoben werden. An diesem hadesartigen Zwischenort, der für einige Seelen zugleich als Fegfeuer dient, plagt die Bösen das höllische Feuer noch nicht und die Guten befinden sich, wie Lazarus, in „Abrahams Schoss". 7 Obwohl der hl. Augustinus die nach dem Jüngsten Gericht eintretenden Höllenstrafen für ewig hielt, 8 konnte er nicht verhüten, dass einige zeitgenössischen Irrlehrer sich ausser den Schriften des hl. Ambrosius 9 und Hieronymus auch auf seine Äusserungen beriefen und eine völlige origenistische Apokatastasis für die in Todsünde verstorbenen Christen hofften und meinten, dass die Christen ohne Ausnahme von der Hölle ausgeschlossen wären. 1 0 Umsonst wendet er sich in seiner Schrift De fide et operibus 1 1 gegen dieses Missverständnis, auch im späteren Mittelalter mochten sich gewiss ähnliche Lehren auf den Wortlaut der besagten Schriften stützen. Und es ist nicht unmöglich, dass der Verfasser dieses Pseudo-Briefes den hl. Augustinus und Hieronymus eben deswegen mit ausdrücklichen Äusserungen über das sofortige Urteil der Toten und über die ewige Verdammnis der in Todsünde gestorbenen Christen in Verbindung bringt, weil es auch unter seinen Zeitgenossen Irrlehrer gab, die u. a. nicht nur die Schriften des hl. Augustinus missverstanden haben, sondern ihren Irrtum auch mit den Grundsätzen der Schriften des hl. Hieronymus unterstützen zu dürfen glaubten. Denn im heissentbrannten Kampfe gegen die Pelagianer, welche behaupteten, dass ein Christ, der seinen Reichtum nicht restlos hingibt, trotz aller Almosen nicht in das Reich Gottes eingehen könne, 1 2 vertrat selbst Hieronymus die ambrosianische Meinung, 1 3 dass während die Gottesleugner und Nichtchristen der ewigen Höllenstrafe zum Opfer fallen, das Urteil der sündhaft befundenen Christen doch gemässigt und mit Milde gemischt wird, da sie nach längerer Qualzeit doch selig sein werden. Trotzdem Hieronymus betont, dass auch Christen verdammt werden können und das Wie ihrer Strafen ganz der Vorsehung Gottes zukommt, 14 so wurden seine Lehren von manchen Ketzerlehrern sicher missbraucht. Gegen diese wendet sich der unbekannte Verfasser dieses und des folgenden Pseudo-Briefes. Er hoffte, die Irrlehrer gänzlich zum Schweigen zu bringen, wenn sich die beiden Heiligen — obwohl in gefälschten Schriften — gegen ihre Irrlehren äussern. 1 5 Auch die Weise, wie die Seele des hl. Hieronymus 7 vgl. Sermo 177, 2; 328,5; Ps. 36, 1. 18; Enchirid. sive de fide, spe et caritate 109 ; Ench. patrist. 1930. Uber den Wohnort d. Lebenden vgl. Altercatio Str. 20. 8 Civ. Dei 21. 13—16. 9 ep. 2, Ps. 1, Ps. 36, 26 ; De excessu fratris sui Satyr! f375 ; 2, 116'. 1 0 vgl. August. Ench. 112; Ench. patrist. 1932. 1 1 vgl. Turmel, Revue d'histoire et de littérature re- . lig. 1900, S. 289 ff. 1 2 Aug. ep. 146. 1 3 im Kommentar zu Isaias 18, 66, 24. 1 4 Dialog gegen die Pelagianer I, 28. 1 6 vgl. G. Rauschen, Grundr. d. Patrologie, Freib. i. Br. 1921, S. 219, 229, 254.