KOZÁKY ISTVÁN: A HALÁLTÁNCOK TÖRTÉNETE I. / Bibliotheca Humanitatis Historica - A Magyar Nemzeti Múzeum művelődéstörténeti kiadványai 1. (Budapest, 1936)

ZWEITER TEIL. Entstehungsgeschichte der Grundmotive des Totentanzes

stellt sich erst nach einem Vergleich mit ähn­lichen orientalischen Produkten heraus. Die Tatsache, dass die meisten Vergänglichkeitsmo­tive aus dem Orient stammen, muss übrigens nur sehr behutsam und mit minuziöser Vorsicht behandelt werden, teils weil sie die Forschung schon bisher zur Behauptung verleitet hat, als wären die Jedermann- und Gisant-Typ-Motive von den Arabern durch Spanien nach Europa verpflanzt worden und die spanisch-arabische Literatur für die Richtigkeit eines solchen Ent­wicklungsganges wenig Anhaltspunkte bietet, 1 teils weil ähnliche Motive nicht nur im Mittelal­ter, sondern vielleicht sogar in einem noch grösse­ren Ausmass schon im griechisch-römischen Al­tertum vom Orient aus nach Europa strömten. Die bisherigen Gisant-Typ- oder Sterbesze­nen waren nur „Beispiele" und haben ausser dem Märchen aus der Sammlung „Tausendund­eine Nacht" nur eine „Nichtigkeit" vertreten. Mehrere Nichtigkeiten wurden schon in den To­tengesprächen Lucians ausgearbeitet : Die Nich­tigkeit der Weisheit, der Schönheit und des Reichtums. Die drei Nichtigkeiten, als untreue Freunde des Menschen, werden aber erst in der Enttäuschung des „allgemeinen Menschen" zur Todesstunde, in der Everymanlegende zu­sammengefasst. Der Unterschied zwischen dem Tod des Sünders und des Seligen, die in der Migne-Legende, sowie in der História Josephi betonte gute Tat und Reue und der orientalische Teufels-Tod werden mit der arabischen Freund­schaftsprobe vereinigt. Eine, vielleicht die älteste Form der Every­manlegende ist als „Freundschaftsprobe" in der Sammlung buddhistischer Parabeln von Petrus Alphonsus überliefert worden. Die erste Fabel seiner „Disciplina clericalis", welche aus dem Arabischen übersetzt wurde, berichtet über einen sterbenden Araber, der seinen Sohn rufen lässt, um ihn zu fragen, wieviel Freunde er sich im Leben erwerben konnte. Der Sohn zählt hundert Freunde. Der Vater gibt ihm erstaunt den Rat, nicht eher seinen Freunden zu glauben, be­vor er sie nicht erprobt hat, denn er, der so alt geworden ist, dass er schon sterben muss, habe noch nie die Treue eines einzigen Freundes genossen. Der Sohn sticht ein Kalb ab, steckt dessen Leichnam in einen Sack, der auch aussen mit Blut befleckt ist und eilt zum ersten Freund mit der Bitte, den Sack mit dem Leichnam eines Menschen, den er durch Zufall getötet haben soll, in seinem Garten unbemerkt zu begraben. Dieser Freund aber weist ihn aus seinem Hause und erklärt, dass er die Strafe ertragen muss, wenn er eine so grosse Sünde auf seiner Seele hat. Der Sohn geht von einem Freund zum andern, endlich kommt er zum letzten, den er am wenigsten geliebt hat. Dieser aber führt ihn in sein Zimmer, schickt seine Frau und die Kinder aus dem Hause und lässt den vermeintlichen 1 vgl. Adolf Fr. Graf von Scheck : Poesie und Kunst der Araber in Spanien und Sicilien. I-II. Bd. Stuttg. 1877. Menschenleichnam in seinem Garten begraben. Dieser ist also der treueste Freund, er opfert sich gern für seinen bedrängten Kameraden. In dieser Legendenform ist also die Not, welche die Freun­de des Menschen erprobt, nur fiktiv. Aber schon im II. —III. Jahrhundert, in einem Werke des Rabbi Jose ben Kisma und im Buche von Pirkeh Rabbi Elieser, 2 sowie in der noch zu besprechen­den deutschen Fassung der Wiener Handschrift Nr. 2705 ist die Not, wegen der man die Freunde erprobt, der Tod. In diesen Fassungen wird nun­mehr von drei Freunden gesprochen, von denen zwei untreu sind : „die Welt" will dem Sterben­den ein (Leichen)-Tuch auf die Reise in das Reich des Todes mitgeben, „die Verwandt­schaft" will den Sterbenden nur bis an das Tor des Herrn (ans Grab) begleiten. Nur der dritte Freund (die gute Tat ; in christianisierter Form: Christus) will gern mit dem Sterbenden gehen und ihm helfen. Dieser letzte Zug ist der aus­drücklichste Beweis jenes Einflusses der História Josephi und der Ars-moriendi-Literatur auf die Freundschaftsprobe, durch den die eigentliche Everyman-Legende entstand. Dabei ist es noch hervorzuheben, dass diese Freundschaftslegende in der Disciplina clericalis mit dem dreifachen Gisant-Typ verbunden ist, was eine Vereinigung der Everymanlegende mit der Legende von den drei Lebenden und drei Toten in der Gesamtle­gende vorbereitet. (Die Hilfe Christi rettet den Sterbenden, wie in der História Josephi). Fabula 1. (Disciplina clericalis. Migne : Patr. lat. CLVII. Sp. 673 — 674.) Arabs moriturus, vocato filio suo, dixit : „Die, fili. quot tibi, dum vixisti, acqui­sieris amicos ?" Respondens filius dixit : „Centum, ut arbitror, acquisivi amicos". Dixit pater, „quia philo­sophus dixit : Ne laudes amicum donec probaveris eum. Ego quidem prior natus sum, et unius dimidie­tatem vix mihi acquisivi ; tu ergo centum quomodo tibi acquisisti ? Vade igitur probare omnes, ut co­gnosces si quis hominum tibi perfectus erit amicus". Dicit filius : „Quomodo consulis ?" Dicit pater : „Vi­tulum interfectum et frustatim comminutum in sacco repone, ita ut saccus forinsecus sanguine infectus sit, et cum ad amicum veneris, die ei : Hominem, chare mi, forte interfeci, rogo te ut eum secreto se­pelias, nemo enim te suspectum habebit, sieque me salvare poteris." Filius fecit sicut pater imperavit. Primus amicus ad quem venit, dixit : „Fer tecum mortuum super Collum tuum ; sicut fecisti malum, pátere satisfactionem, in domum meam non introibis." Cum autem per singulos sie fecisset, eodem responso omnes responderunt. Ad patrem rediens, renuntiavit quae fecerat. Dixit pater : „Contigit tibi ut dixit philosophus : Multi sunt dum numerantur amici, sed in necessitate pauci. Vade ad dimidium amicum quem habeo, et vide quid dicat tibi." Venit, et sicut aliis dixerat huic dixit, qui ait : „Intra do­mum, non est hoc secretum quod vicinis debeat propalari." Emissa ergo uxore cum omni família sua, sepulturam fodit. Cum autem ille omnia videret pa­rata, rem prout erat disseruit gratias agens. Demum retulit patri quae fecerat. Pater vero dixit : „Pro tali amico philosophus ait : Hie est vere amicus, qui te adiuvat cum tibi saeculum deficit" ... usw. 2 Sabionetta 1567. Cap. 43. S. 25.

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