Markója Csilla szerk.: Mednyánszky (A Magyar Nemzeti Galéria kiadványai 2003/2)

Das Leben und die Kunst von László Mednyánszky, mit besonderer Rücksicht auf die Periode vor - Zsuzsanna Bakó: Auf den Wegen Verstoßener herumirrend. Gedanken über die unkonventionelle Porträtmalerei von László Mednyánszky

die milderen Gesichter Kraft aus. Das gilt besonders für das Porträt des Bálint Kurdi (Kat. 32), das als Essenz des Männerideals von Mednyánszky, des „starken, gläubigen Mannes" gilt. Dieses Bild strahlt Feierlichkeit und imponierende Selbstsicherheit, Aufgeschlossenheit und Aufrichtigkeit aus. Mednyánszky lernte Kurdi, der in Wien als Soldat diente, 1881 kennen, ihre Freundschaft fand in der Nyúlkaszárnya (Hasenkaserne) von Buda Fortsetzung. Vielleicht nach der Kaserne, vielleicht nach dem milden Charakter des Jungen nannte ihn Mednyánszky „Nyuli". Ihre Freundschaft war so tief, dass er nach dem 1906 erfolgten Tod Nyulis bis zu seinem eigenen Lebensende einen „Briefwechsel" mit ihm führte: In seinen Tagebüchern berichtete er ihm über die Ereignisse des Alltags, über seine Gefühle. An mehreren seiner von Bauernburschen angefertigten Porträts verwendete Mednyánszky lebhafte Farben: „Eigenartiges, strömendes claire-obscur. Eher von unten beleuchtet, doch matt und ein wenig verwischt, mit sehr zartem, aber buntem Hintergrund" - schrieb er über seine Anwendung der Farben in den Jahren 1896/97. 10 Die klaren, aber starken Farben verleihen dem Gesicht mehr Betonung, so erfüllte auch das Rotbraune der Bekleidung auf dem Bild Sächsischer Bauer aus der Zips (Kat. 44) oder der kräftige bläulich-grüne Hintergrund des Bildes Kopfstudie eines Mannes (Kat. 129) diese Funktion. Seine Bildnisse von Bauernburschen, Kutschern und Fuhrleuten weisen spezifische Persönlichkeitszüge auf: Die Gesichter zeigen sowohl eine milde Einfältigkeit als auch eine gewisse phlegmatische, müde Gleichgültigkeit. Ihre Erscheinung weist auch auf ihre Umgebung hin, obwohl die Kleidung, der Hintergrund oder andere Attribute - eine vom Mund herunterhängende Zigarette, ein aufs Ohr gestülpter Hut, eine schiefe Krawatte - an den meisten Bildern nur zum Äußersten vereinfachte wage Hinweise sind. Von unauflösbaren Einheit des Individuellen mit dem Allgemeinen kommt bei diesem Porträttyp das Individuelle stärker zur Geltung und die Typisierung wird - teils von den starken Charakteren, teils wegen der persönlicheren, mitunter von tieferen Gefühlen geprägten Bindungen - ein wenig in den Hintergrund gedrängt. Im Falle eines seiner Freunde formulierte Mednyánszky seine Gefühle wie folgt: „Als ich heute Nachmittag neben János Koczka saß und bemerkte, wie viel Idealismus diesem einfachen Menschen eigen ist, stieg der Glaube am Erwachen der höheren Geistigkeit erneut in mir auf." 11 Von seiner eigenen Schicht enttäuscht, hoffte der Maler in diesen einfachen Leuten jene idealisierte Moralität zu finden, die er bis an sein Lebensende verzweifelt suchte und die er mitunter in mancher sensitiven Beziehung zu entdecken wähnte: „Vom Andenken an die Toten kann das Gemüt nicht ewig leben. Seit dem Tod von Károly Seres blieb diese Stelle leer. Er war meine Komplementärfarbe. Der Glaube und die Hoffnung an ihn war mit meinem Inneren eins geworden. So rein und von allem Bösen frei war seine Seele." 12 Mednyánszky erforschte leidenschaftlich das Wesen der menschlichen Seele und suchte nach Wegen, es immer vollkommener zum Ausdruck zu bringen. „Je mehr man die Menschen im Sinne des Diesseits kennen lernt, um so weniger kennt man sie, denn man beginnt, jene Vielfalt der unnützen Zufälle für wichtig zu halten, die entstehen, während der Geist in die Materie eindringt. Aber diese Zufälle sind genauso vielfältig und unwichtig, wie die Formen, die im Schnee zurückbleiben, wenn er vom Schneepflug aufgewühlt wird." 13 Gerade deshalb wählte Mednyánszky den Weg der intuitiven Erkenntnis, und kam dadurch dem Erfassen des Wesens der Persönlichkeit immer näher, indem er den Faktor Zeit ausschaltete. „Sobald man den Menschen nimmt, wie er von der Ewigkeit kommt, und alles Vergängliche an ihm weglässt, findet man in jedem Individuum eine große Welt an sich." 14 Diese Zeilen brachte er im Februar 1900 zu Papier, und vom Sommer jenes Jahres an malte er - zum Teil auch unter dem Eindruck seiner Galizienreise - eine Reihe von Rabbinerporträts, wohl bewußt im Stil des von ihm für den größten Künstler gehaltenen Rembrandt, so u. a. den Alter Mann mit Bart (Kat. 108) und den Greis (Abb. 2). Den Höhepunkt der von ihm angestrebten substantiellen Verdichtung erreichte er in der Darstellung des Alter Rabbiner (Kat. 106), einer Variante, die sich im Besitz des Janus-Pannonius-Museums in Pécs befindet. 15 Im faltigen Gesicht des Alten, das sich nur allmählich vor dem dunklen Hintergrund abzeichnet, im sanften, etwas schelmischen Lächeln, im alles durchdringenden Blick verdichten sich die Erfahrungen und die ruhige Weisheit von mehreren tausend Jahren, und sie widerspiegeln - dank der Genialität des Malers - auch die für den Betrachter manchmal unsichtbare innere Welt. Nach dem 1895 erfolgten Tod seines Vaters und vom Verlust seiner Freunde und Angehörigen erschüttert, wurde der Maler immer zurückgezogener. In seinen Aufzeichnungen von erschütternd persönlichem Ton unterhielt er sich mit seinen geliebten Toten, vor allem mit Nyuli - nunmehr in einer geistigen Beziehung zu ihm. Seine Schwester, eine gründliche Kennerin des komplexen, widerspruchsvollen Charakters von Mednyánszky, charakterisiert ihn in ihren Memoiren wie folgt: „Wenn sein Nervenzustand sich verschlechterte, zog er sich von allen zurück, verschluss sich, die dunkle Melancholie verschleierte alles. Doch war das vorbei, kannte ich keinen hinreißenderen, glänzenderen Coseur als ihn. [...] Tief verborgen gab es auch vieles Andere, so u. a. etwas Stählernes, Kämpferisches." 16 Vielleicht vom anhaltenden Zustand der Depression, vielleicht von der vollkommenen Enttäuschung oder von der ihm tief innewohnenden Leidenschaft gezwungen, stieg Mednyánszky in die tiefste Hölle des Leidens hinab, um die Unterwelt der Großstädte, mittellose, obdachlose Landstreicher, an der Peripherie der Gesellschaft vegetierende Menschen zu malen, sich mit ihrem Schicksal zu identifizieren. Er lebte unter ihnen, beging die Straßen, in denen sie sich herumtrieben, kehrte in den Kneipen ein, in denen sie sich auszuruhen und zu erwärmen pflegten, und hielt sein Atelier für sie stets offen. Auf dem Bild Zwei Köpfe (Kat. 89) blicken die Dargestellten den Betrachter mit hervortretenden Augen verzweifelt und erschrocken an, fast vom Rande nicht des menschlichen, sondern des tierischen Daseins. Ihr Blick zeugt von Panik, Angst und Verwunderung zugleich, die Gesichter sprengen beinahe den Raum des Bildes. Der Vagabundenkopf (Kat. 86) starrt mit hervor­László Mednyánszky: Greis, Öl auf Leinwand, 55 x 46,5 cm (UNG, Inv.-Nr. 8590)

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