Markója Csilla szerk.: Mednyánszky (A Magyar Nemzeti Galéria kiadványai 2003/2)

László Mednyánszky im Spiegelbild kunstwissenschaftlichen Schrifttums: wissenschaftliche und kulturhistorische Beiträge - Zsófia Kiss-Szemán: László Mednyánszky im Spiegelbild kunstwissenschaftlichen Schrifttums

Ernő Kállai (1890-1954), Kunsthistoriker, Aufnahme von Kata Sugár, vor 1943 (Kunsthistorisches Forschungsinstitut der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, Budapest) war der Meinung, dass auf die Zeit in Barbizon noch ungefähr zehn Jahre des Suchens folgten (in Szolnok löste er Probleme des Pleinairs, unter dem Einfluss August Pettenkofens widmete er sich den Genreszenenbildern, in Rom experimentierte er mit dem Aquarell, nebenbei studierte er auch die modellierende Kraft der Atmosphäre) und es Mednyánszky erst am Ende der 80er Jahre gelungen war, seinen eigenen Stil zu finden, wobei er sich unabhängig von verschiedenen Richtungen, Strömungen und Persönlichkeiten entwickelte. Schanzer hielt das Streben nach dem Malerischen für das Wesentliche in Mednyánszkys Schaffen, als sein Hauptproblem aber erkannte sie die Frage des Lichtes und sein erstrangiges Ziel war ihrer Meinung nach die Schaffung einer lyrischen Stimmung. Schanzer bemerkte zwar, dass Mednyánszky oft zu seinen früheren „Stilen" zurückkehrte, erkannte jedoch eine eindeutige Entwicklung des Malers. Seine Palette wurde allmählich heller, die Farben rein und die Gemälde immer mehr von Licht und Luft durchdrungen. In der insgesamt positiven Bewertung der figürlichen Malerei Mednyánszkys polemisierte Schanzer mit den bisherigen Interpretationen, vor allem mit dem französischen Kritiker Remacle, der, obzwar weitblickend, dennoch die Kunst Rembrandts im Zusammenhang mit Mednyánszkys Köpfen erwähnt. Schanzer weist in diesem Zusammenhang eher auf die Verwandtschaft mit dem goldigen Ton und der gedämpften Farbskala des Selbstporträts von Jules Dupré hin. Dafür, dass Mednyánszky dieses Selbstporträt je gesehen hat, fehlen allerdings jegliche Belege, es ist lediglich eine Vermutung. Wie jedoch aus seinen Tagebucheinträgen hervorgeht, begegnete Mednyánszky Rembrandts Werken zur Zeit der Pariser Ausstellung, sie hinterließen sogar einen tiefen Eindruck in ihm. Mit ihrer zweiten Anmerkung an Remacles Adresse versuchte Schanzer dessen These über den Einfluss von Honoré Daumiers und Jean Louis Forains auf Mednyánszkys Vagabundenstudien zu widerlegen. 28 Außer Théophile­Alexandre Steinlens Serie von Lithografien (1896), die dem Alltagsleben der Boulevards gewidmet war, erinnerte Schanzer in diesem Zusammenhang an die immer aktuellere soziale Problematik. Dies ist jedoch kein hinreichendes Argument. Daumier und Forain beschäftigten sich eben­falls mit sozialen Motiven. Zu Mednyánszkys sozialem Interesse trug laut Schanzer auch das oberste Dogma der buddhistischen Philosophie - „lerne zu leiden" - bei, zu dem sich Mednyánszky bekannte, er suchte wohl deshalb „ewige menschliche Werte in einfachen Dingen und der Not des Lebens." 29 Auf Schanzers Dissertation folgte wieder eine lang andauernde Zeit des Schweigens über Mednyánszkys Werk. Dieses lässt sich teilweise auch dadurch erklären, dass Ernő Kállais außergewöhnliche Aufmerksamkeit schon lange Jahre vor Herausgabe seiner Monographie der Persönlichkeit Mednyánszkys gegolten hatte 30 (Abb. 2). Aus seiner Feder stammt die bisher wohl seriöseste und komplexeste Bearbeitung von Mednyánszkys malerischem Schaffen. Wie wir bereits in der Einleitung erfahren, bildeten die Basis für Kállais Arbeit etwa 2000 Gemälde, Studien und Zeichnungen, die der Autor jedoch nicht für das komplette Œuvre hielt. Neben dem Bildmaterial machte Kállai noch von mehreren schriftlichen Quellen Gebrauch, wie z. B. von den Erinnerungen der Schwester des Künstlers Margit Czóbel, in denen sie die Kindheit des Bruders 31 beschreibt, weiter von Mednyánszkys Briefen aus Strázky (Nagyőr, Nehre, wo er nebenbei 521 Bilder und Zeichnungen katalogisiert hatte), weiter in Budapest von 65 Notizbüchern (Tagebüchern und Briefen) aus dem Besitz Béla Sirchichs aus Beckov (Beckó), wie auch von Tagebüchern, die sich damals in den Sammlungen des Museums der Bildenden Künste (heute in der Ungarischen Nationalgalerie) befanden. Kállais Motivation zur Arbeit war einerseits die allgemeine Unkenntnis der Werke Mednyánszkys, andererseits die einseitige Einstufung von Mednyánszky als Landschaftsmaler, die er nicht für richtig hielt, weil er den Figurendarstellungen eine gleichrangige Rolle zuschrieb. Im ersten Teil des Buches befasste sich Kállai mit Mednyánszky als Mensch, ohne sich dabei auf Legenden ein­zulassen. Er versuchte nüchtern und mit Distanz den Lebensweg des Malers zu beschreiben und berief sich dabei auf Angaben und Fakten aus seinem Briefwechsel. Er näherte sich Mednyánszky mit tiefem Verständnis und voller Hochachtung, wodurch es ihm gelang, einen unvoreingenommenen Zugang zum Maler als Individuum zu finden. Er wies auf die Müdigkeit großer Adelsgeschlechter hin, deren Herkunft und Geschichte nicht nur Grundlage für ihr Wachstum waren, sondern teilweise auch für ihren Untergang. Bei László machte sich dieser Zug schon früh bemerkbar gemacht. Bereits vor seinem Abitur trat die erste „ernsthafte Nervenkrise" auf, die er nur durch vollkom­mene Ruhe überwand. Dies war jedoch nach Kállai „eine nötige Begleiterscheinung, die unbedingt zu einer derart überempfindlichen geistigen Natur gehörte, und die wohl die Vorstellungskraft des Malers für Geheimnisse und Visionen, die die Grenzen der wahrnehmbaren Welt sprengen, hervorgebracht hat." 32 Diese Zweiseitigkeit äußerte sich auch in Mednyánszkys Vorliebe für „den mörderischen Sarkasmus", 33 in seiner „Sehnsucht, in der dämonischen Besessenheit danach, Zeuge zügelloser mörderischer Leidenschaft zu werden", 34 in dem absonderlichen Wohlgefallen, das der Meister bei verheerenden und zerstörerischen Mächten, die der Natur und dem Menschen innewohnen, ver­spürte. 35 Kállai bemerkte hier zum ersten Mal den Gegenpol zu Mednyánszkys tiefem Humanismus - der bei ihm zweifellos dominierte - und fühlte die Widersprüchlichkeit und das Dramatische in seiner Persönlichkeit. Diese Eigenschaften beeinflussten sein künstlerisches Schaffen ebenso, wie sein erweiterter sozialer Horizont und die Sehnsucht nach „sozialer Buße und nach einem gemeinsamen Schicksal mit den Armen", seine Befreiung von den Konventionen des Adels, sein Nicht-Verwurzeltsein, aus dem sein Interesse für Fuhrleute, Fischer und Hirten resultierte, „um die sich weite Horizonte von Straßen, Gewässern oder Ödländern und Urwäldern öffnen." 36 „Er wendet sich jedoch ab, wenn er dem Volk in Form einer organisierten sozialdemokratischen Arbeiterschaft begegnet. Keinesfalls ist er solidarisch mit dem Gedankengut des Klassenkampfes und den in geschlossenen Formationen marschierenden Massen. Weil er bis auf die Knochen ein Individualist ist, wirken sich lediglich

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