Veszprémi Nóra - Jávor Anna - Advisory - Szücs György szerk.: A Magyar Nemzeti Galéria Évkönyve 2005-2007. 25/10 (MNG Budapest 2008)

STUDIES - Gyöngyi TÖRÖK: Die Madonna von Toppertz, um 1320-30, in der Ungarischen Nationalgalerie und das Phänomen der beweglichen Christkindköpfe

leben in Ungarn in den archaischen Volksgebeten bis in unsere Tagen weiter. 28 Die wichtigste Rolle Mariae ist aber die Rolle der Vermittlerin. Die betenden und büssenden, vor einer Marienfigur knienden Gläubigen konnten darauf hoffen, dass diese bei ihrem Sohn für sie fürbittet. Eine der bekanntesten Visionen im Zusammenhang damit stammt aus den Legenden des Caesarius von Heisterbach. „... Da sprach die Jungfrau Maria durch den Mund des Bildes (einer farbigen Holzskulptur), so dass man sie deutlich hören konnte, und sagte zum kleinen Sohn. »Süßester Sohn, ich bitte Dich darum, diesem Ritter zu verzeihen.« Aber der Sohn antwor­tete nichts darauf und wandte das Gesicht von ihr ab", schließlich hörte er doch auf seine Mutter. 29 Die Konstruktion der Christkindköpfe der Madonnenfiguren von Toppertz, Rießdorf und Pudlein erweckt die begründete Vor­stellung, dass sie zu einem bestimmten Anlaß, versteckt von hin­ten mit einer Schnur nach rechts und links zu bewegen waren. 30 Die Besonderheit der Kerben am Hals und das Loch auf der Rück­seite erklären eine derartige Funktion eindeutig. Diese Bewegung wird sehr wahrscheinlich einen Dialog begleitet haben, der im Rahmen eines liturgischen Spiels zwischen Maria und dem Christ­kind inszeniert wurde. Unter den Marienfiguren kennt man keine ähnlich bewegbaren Lösungen, was auch damit zusammen hän­gen kann, dass viele Skulpturen restauratorisch noch nicht in die­ser Hinsicht untersucht worden sind. Es kann sich aber auch um einen lokal begrenzten Brauch handeln. Für Letzteres spricht die topographische Nähe der Figuren in der Zips. Um für unsere Christkindköpfe andere Erklärungen zu finden, muss man auch die Frage des Herausnehmens näher in Betracht nehmen. Dafür sprechen bei unseren, ebenso wie bei den schwe­dischen Beispielen die Spuren der Benützung. Die Zapfen könn­ten durch ein Kleidchen verdeckt gewesen sein, wodurch eine 29. Stehende Heilige oder Muttergottes 30. Rückseite der aus Niedersachsen, um 1280-90 stehenden Heiligen Köln, Schnütgen Museum aus Niedersachsen 27-28. Kopf der stehenden Heiligen aus Niedersachsen Handhabung des Christkinds gleich einer Handpuppe ermöglicht worden wäre. Zur Befestigung des Stoffkleides könnten die Ker­ben am Rand hilfreich gewesen sein. 31 Die ungarische Ethnographie kennt das paraliturgisches Pup­penspiel der Geburt Christi, das im Mittelalter noch auf dem Altar und mit sprachlicher Begleitung durch Kostüm tragende „Schau­spieler", aufgeführt wurde. 32 Im Zusammenhang mit den schwedischen Beispielen, die keine Kerben am Hals zur Befestigung haben, hat Bengt Stolt auf einen interessanten, auch in das Gebiet der Volkskunde führen­den Brauch hingewiesen. 33 Er betont, dass in Schweden auch nach der Reformation die mittelalterlichen Skulpturen in den Kirchen verbleiben konnten und so hält er es auch für möglich, dass die damit zusammenhängenden alten Traditionen und Riten bis in un­sere Tage weiterleben konnten. Die Gewohnheit, dass man bei Geburten die Figuren des Christkindes an Hebammen auslieh, hat sich bis ins 20. Jahrhundert erhalten. Es wäre nicht ausgeschlos­sen, dass sich diese Gewohnheit auf ältere Traditionen zurück­führen läßt. Für das Ausleihen sind ja gerade die herausnehmbaren Kinderköpfe gut geeignet. Auch wenn es möglich wäre, dass auch unsere abnehmbaren Kinderköpfe von Toppertz, Rießdorf und Pudlein für solche Zwecke gebraucht wurden, sind sie dennoch wohl ursprünglich aus einem anderen, und zwar liturgischem Grund entstanden und somit vermehren sie die Typen der be­kannten handelnden Bildwerke.

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