Póczy Klára: Forschungen in Aquincum 1969- 2002 (Aquincum Nostrum 2. Budapest, 2003)
6. Die Wirtschaft Aquincums im Spiegel der neuen Funde - 6.1. Lokales Gewerbe und Handel (Klára Póczy, Paula Zsidi)
SON-JONES 2001), Steinbearbeitung (u. a. T. NAGY 1971/3, SZIRMAI 1999/2).' Gleichzeitig begann die wissenschaftliche Aufarbeitung einzelner archäologischer Fundgattungen (d. h. der einstigen Industrie- und Gewerbe-„Erzeugnisse") wie z. B. der Münzen, Inschriftsteine, Architekturglieder, Beinwerkzeuge, Schmuckgegenstände, Mosaiken und Wandmalereien. Weitere neue Resultate sind auch von den noch nicht lange zur Anwendung kommenden naturwissenschaftlichen Verfahren der Materialuntersuchung zu erwarten. Die an einzelnen Fabrikaten der Töpferwerkstätten von Aquincum (Öllampen, Form- und Reibschüsseln) bisher vorgenommenen Untersuchungen lassen hoffen (ZSIDI-BALLA 2000), daß wir neben den laufenden Ausgrabungen auch aus dem Material alter Grabungen neue und bislang unbekannte Informationen in Bezug auf das Wirtschaftsleben Aquincums gewinnen können. Außerdem eröffnet sich mit den neuen Ergebnissen eine Möglichkeit, die Entwicklung des in ständiger Wechselbeziehung zum Handel stehenden lokalen Gewerbes in Aquincum zumindest skizzenhaft festzuhalten. Die frühe Phase der römischen Besetzung (augusteisch-tiberisches Zeitalter) Rom bereitete die Annexion eines neuen Territoriums in mehreren Etappen vor. Dieser Vorgang wurde mit der Anknüpfung engerer Handelsbeziehungen eingeleitet. Das ist der Grund, weshalb das spätere Pannonién, und innerhalb dessen der Raum Aquincum, schon gut ein halbes Jahrhundert vor der tatsächlichen Eroberung Verbindungen zu Aquileia unterhielt. Sowohl archäologische Funde als auch historische Quellen belegen, daß der Handel auf den seit Alters her bekannten Handelsrouten stattfand. Laut Strabon (V.l., 8.) wurden über Aquileia Meeresfrüchte (Austern) sowie Wein und Öl zu den illyrischen Völkern befördert. Selbst im archäologischen Fundmaterial der im Donauraum lebenden keltischen Völker findet man zahlreiche auf dem Handelsweg hierher gelangte Waren 1 S. den Abschnitt „Die Steinbearbeitung in Aquincum" (7.1.). römischer Herkunft, 2 in erster Linie wertvolle Bronzegegenstände (L. NAGY 1942/1). Die einheimische Bevölkerung im Gebiet von Aquincum war ein Stamm der Kelten, die sich Eravisker nannten. Sie hatten ihr Stammeszentrum auf einer Anhöhe (mit heutigem Namen Gellértberg). 3 In dem befestigten Oppidum befand sich das wirtschaftliche und religiöse Zentrum des Stammes. Hier prägten die Eravisker, als erste in der Geschichte des Karpatenbeckens, auch Münzen. Ihre SÜbermünzen entstanden nach dem Muster der zur Zeit der Römischen Republik üblichen Denare (TORBÁGYI 1984). Die Existenz der im augusteisch-tiberischen Zeitalter tätigen Münzstätte kündet nicht nur von den bestehenden Handelsbeziehungen, sondern lenkt das Augenmerk auch auf die herausragenden Produkte des lokalen Handwerks. Außer der Münzprägung stand auch die Metallverarbeitung, insbesondere das Bronze- und Eisengießen (PETŐ 1979), auf einem hohen Niveau. Sehr gefragt waren wegen ihrer ausgezeichneten Qualität die hier produzierten Eisenwaffen, die in den an den nördlichen Hängen der Hügel entlang des Donauufers gelegenen Werkstätten hergestellt wurden. Das Gebiet, auf dem sich die keltischen Eravisker in ihrer handwerklichen Tätigkeit besonders hervortaten, war jedoch die Töpferei. In den nördlich vom Oppidum gelegenen Handwerkerviertel kamen dutzende Töpferöfen und daneben zahlreiche, nicht selten für den Abtransport oder Verkauf gelagerte Fertigwaren ans Licht. Das nördliche Handwerkerviertel (bekannt als Gellérthegy-Tabán) nahm den Betrieb zwar schon im Zeitraum vor Christi Geburt auf, doch ihre Tätigkeit erstreckte sich bis in die erste Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. (BÓNIS 1969). Bemerkenswert ist, daß der Werkstattinhaber eine Gruppe von Gefäßen bester Qualität noch vor dem Brennen mit einem Victoria 2 Wesentlich vom Standpunkt der Handelsbeziehungen ist die auf dem Gellértberg gefundene Amphore des Typs Dressel 1, in der vermutlich italischer Wein eingetroffen war (PETO 1993). 3 Vgl. mit den Abschnitten „Eraviskersiedlungen im Raum Aquincum" (5.1.) und „Aquincum vor der römischen Eroberung" (4.1.).