Budapest Régiségei 34. (2001)
STUDIEN = TANULMÁNYOK - Borhy László: Neues zur Tätigkeit und zu den Vorbildern der modernen Fälscherwerkstatt in Brigetio (Komárom/Szőny, Ungarn) 29-37
• Weiterhin die senkrecht herunterfallenden Falten des Oberkleides rufen die pteryges eines Feldherres in Einnerung, welche tatsache im starken Widerspruch mit der Hose zu stehen scheint. • Dazu kommt noch der merkwürdige Gegenstand, den die Figur in ihrer rechten Hand hält. Auf den ersten Blick scheint er ein Pfeilkorb oder eine Keule zu sein. Vergleicht man jedoch die Vortsetzung dieses Gegenstandes an der anderen - hinteren - Seite der Statuette, fallt sofort ins Auge, daß die Oberflächenbehandlung mit der Verzierung der Satteldecke identisch ist. Es kann sich nämlich um ein Pantherfell handeln, dessen Tupfen an der „Vorderseite" in vier Stufen mit 1, 2, 3 und schließlich 4 dreieckförmigen Motiven „schuppenartig" veranschaulicht. Unten, in der Abrundung, und die auf den ersten Blick nicht zu verstehenden, kurzen, eingeritzten Linien stellen die Krallen dar. Die Figur hält also nichts in ihrer Hand: sie sitzt einfach auf einem Pantherfell als Satteldecke, die auf diese Art und Weise vom Steinmetz fehlerhaft interpretiert wurde. Die oben erwähnte primitive Lösungen und die geschilderten Widersprüche bzw. Fehlinterpreationen helfen uns, den Werstattkreis mit großer Sicherheit bestimmen zu können. Es kann nämlich nur um die gleiche Werkstatt handeln, die aufgrund aus Brigetio stammender antiker Vorlagen moderne Fälschungen aus Knochen und Stein herstellte. 3 Ähnlich zu den früher bereits bekannten Fällen, können die antiken - originalen - Vorlagen, die vermutlich in der Nähe, also im antiken Brigetio gefunden wurden, mit großer Wahrscheinlichkeit identifiziert werden. Als antike Vorlagen kommen drei Typen in Frage. An erster Stelle können die Balteusbeschläge 4 erwähnt werden, wobei der Widerspruch, der sich in der Kleidung der Reiterfigur {pteryges und Hose) zeigt, gleich geklärt werden kann. Die pteryges weisen auf einen Kaiser als siegreicher Feldherr hin {Abb. 3), während die Hose von besiegten oder fallenden Barbaren in der gleichen Gruppe getragen wird (Abb. 4). Weiterhin kennen wir eine ganze Serie von Statuen und Statuetten des sog. „thrakischen Reitergottes" aus den Donauprovinzen, besonders aus Thrakien und Mösien, die in Hinblick auf die einzelnen Details ähnliche Charakteristiken wie die Statuette aus Brigetio, aufweisen. Dies bezieht sich besonders auf Jagdszenen, wobei in der nach unten getreckten Hand des Reiters er ein hängendes, totes Tier hält (Abb. 5). Diese Haltung erinnert uns an die des Reiters der Statuette aus Brigetio: hier aber wurde der Fußteil des Pantherfelles als in der Hand haltende Keule mißverstanden. 5 Betrachtet man jedoch die Produkte der lokalen Gewerbe, kommt man zur Lösung näher. Mit großer Wahrscheinlichkeit kann man als Vorlage die Tonmodelle zur Herstellung von Reliefmedaillons, mit deren Hilfe die sog. Bildbrote (crustulum) hergestellt werden konnten, behaupten. Unter den zahlreichen Figuren aus Ton, die als Modelle der negativen Reliefmedaillons uns aus Aquincum und Brigetio bekannt sind, 5 können die reitenden Kaiserfiguren hervorgehoben werden (Abb. 6). Ein solches Tonmodel könnte als Vorbild gedient haben. Die Anschaffung solcher antiken Vorlagen vom Auftraggeber der Fälschung war auch aus der engsten Umgebung von ßn'gefr'o/Komarom-Szony ohne weiteres vorstellbar, da die Tätigkeit solcher Werkstätte, die sog. Bildbrote (crustuld) bzw. ihre Tonmodelle herstellten, ist mehrfach auch in Brigetio nachgewiesen. 7 Dies wird durch einen Neufund auch bekräftigt: im Laufe der Ausgrabungen in Brigetio (FO: Komárom/Szőny-Vásártér) wurde in den Grabungskampanien 1998-2000 eine Bäckerei (pistrinä) mit zwei Backöfen und mit einem Arbeitsraum freigelegt, die entlang einer mit Steinplatten ausgelegten, 3 m breiten Straße lag. 8 Die steinernen Fundamente der Mauern wurden bis zum Boden des ursprünglichen Fundamentgrabens ausgerissen; in der Zufüllung des negativen Mauerzuges kam das Fragment eines Reliefmedaillons zur Herstellung von Bildbroten wahrscheinlich mit einer Figur im Helm ans Tageslicht (Abb. 8-9), das auch funktionell mit der Bäckerei in der Zivilstadt in Verbindung gebracht werden kann. 9 Zusammenfassend läßt sich also feststellen, daß aufgrund der technischen Merkmale und Fehlinterpretationen der antiken Ikonographie als Vorlage der Reiterstatuette aus Stein, die eine moderne Fälschung aus dem Produktionsbereich der um die Wende des 19-20. Jahrhundert tätigen - und erfolgreichen - Fälscherwerkstatt darstellt, ein im Bereich des antiken Brigetio ans Tageslicht gebrachtes Tonmodell gedient und einen römischen Kaiser im Panzer zu Pferde dargestellt haben kann. 30