Budapest Régiségei 30. (1993)

Harl, Ortolf: Die Stellung der Frau bei den einheimischen Stämmen Nordpannoniens : eine sozial- und kunstgeschichtliche Studie = A nő helyzete Észak-Pannónia bennszülött törzseinél 7-37

als Nordpannonien. Daher folgen die Grabdenkmäler der übrigen Gebiete von Noricum und Pannonién den römischen Bildvorstellungen viel intensiver als die nordpannonischen. Die einzige Gruppe von Steindenkmälern, auf de­nen man allenfalls noch prähistorische Charakterzüge im hier definierten Sinn vorfindet, ist jene von Ig am Rande des ehemaligen Laibacher Moors, südlich von R4 ... Laibach. Gerade der Vergleich mit diesen Steinen zeigt, wieviel uns die nordpannonischen Grabsteine über die spätkeltische Gesellschaft berichten: In Ig be­gegnen konzentriert keltische Namen und dort herrscht eine Bildersprache, die sich von der für Südnorikum bzw. für den nordöstlichen Zipfel Oberitaliens charak­teristischen unterscheidet. Aber trotz einer gewissen Primitivität und Unfähigkeit, die römischen Vorbilder adäquat nachzuahmen, sind - von ein paar Ausnahmen abgesehen - Stil und Formensprache an das Römi­sche angeglichen. Ebenfalls nach römischer Gepflo­genheit sind auch die Inschriften abgefaßt: Sie verkün­den, daß das männliche Familienoberhaupt das Grabdenkmal errichtet hat und nennen - abgesehen von ihm - möglichst viele Mitglieder seiner Familie. Im Gegensatz dazu stehen unsere Stelen aus Nord­pannonien, die auf die Familie kaum Bezug nehmen, aber dafür den Einzelnen - und vor allem die Frau - in Bild und Schrift stärker hervortreten lassen. Dazu paßt, daß die Filiation im Territorium von Emona selten, in Nordpannonien dagegen fast immer vorkommt. Sie fehlt bei den nordpannonischen Frauen nicht einmal dann, wenn diese schon Jahrzehnte verheiratet waren. Das heißt, daß sich die Nordpannonierin Zeit ihres Lebens nicht durch ihren Mann, sondern durch ihren Vater definiert, ihr Sozialprestige nicht aus dem Status Arten der Frauendarstellung Ehepaare Nr. 19, 20, 23, 25, 48, 51, 76 Die Zahl der Ehepaare, auf die unsere Suchkriterien (Ausschluß von römischen Vollbürgern, einheimische Namen, Filiation, urwüchsig-primitiver Stil von Bild und Schrift) zutreffen, ist mit sieben Beispielen erstaunlich gering: Fünf Ehepaare im Brustbild, ein Ehepaar im Brustbild mit Kind (Nr. 51) und eines im Vollbild ste­hend (Nr. 20). Dies steht in krassem Gegensatz zu den vielen klassisch - provinzialrömischen Stelen, die die Lapidarien füllen. Daß es so wenige Ehepaare sind, stellt eines der in dieser Arbeit nicht lösbaren Rätsel, auf das schon öfters hingewiesen werden mußte, dar. Mit der Darstellung der Ehepaare ist anscheinend stets ein Nebenbild verknüpft. Grabstatuen Nr. 98-100 Aus dem Eraviskergebiet, in dem sich die Tradi­tionen aus der Spätlatenezeit offensichtlich am läng­des Ehemannes, sondern von den eigenen Vorfahren, von der Sippe also herleitet. Damit dürfte wohl erklärt sein, warum so wenige Ehemänner auch sich selbst auf den Grabstein, den sie ihren Ehefrauen errichten, draufschreiben - allenfalls dann, wenn die Männer sehr alt sind. Wenn auf die Weise die Frau ihre enge Bin­dung an die eigenen Vorfahren ausdrückt, so scheinen Ehe und Familie eine geringere Bedeutung gehabt zu haben als bei den Römern. Jetzt versteht man erst rich­tig, warum auf den nordpannonischen Grabsteinen Ehepaare relativ selten dargestellt sind. Gerade der Vergleich mit den stark romanisierten Grabsteinen von Ig akzentuiert den Gegensatz zwischen dem nordpan­nonisch - keltischen und einem spezifisch römischen Individualismus: Das nordpannonische Individuum ist in die Sippe, den Clan eingebettet, das römische in die Hausgemeinschaft, die Familie. Es ist daher kein Zufall, wenn das Wort für Familie aus dem römischen, das Wort für Clan aber aus dem keltischen Sprachbereich 87 stammt. In einer weiteren, sehr wichtigen Hinsicht unterschei­den sich die Frauen des einheimischen Adels von den Römerinnen. Zum Teil sagen es die Frauen selbst, zum Teil die Freigelassenen, bei genauer Interpretation der Inschriften deuten es auch die Männer an: Die Frauen verfügten über eigenes Vermögen. Wenn man dazu noch die Bedeutung, die die Familientradition besessen hat, in Rechnung stellt, dann darf man annehmen, daß die Frauen in der Erbfolge berücksichtigt wurden und beim Eheschluß die Verfügungsgewalt über ihr Eigen­tum behielten. Somit müssen die weiblichen Mitglieder des einheimischen Adels einen erheblichen Machtfak­tor in der Wirtschaft - und wohl auch in der Politik ­dargestellt haben. In diese Richtung weisen auch die bildlichen Darstellungen auf den Grabsteinen, denen wir uns nun zuwenden wollen. sten hielten, sind mit den drei Grabstatuen von Frauen in einheimischer Tracht (Nr. 98-100) die wertvollsten Zeugnisse für die prominente Rolle der Frauen auf uns gekommen. Die drei Statuen, die sich im König Stephan - Museum in Stuhlweißenburg / Székesfehér­vár befinden, sind die einzigen Rundplastiken unrö­misch gekleideter Frauen nicht nur in Noricum und Pannonién, sondern, soweit ich sehe, in allen europäi­schen Provinzen und verdienten deshalb mehr Auf­merksamkeit durch die Forschung. Leider fehlt bei al­len dreien der Kopf, sodaß man nicht erfahren wird, ob die Frauen des eraviskischen Adels abweichend von ihren stehenden Stammesgenossinnen auf den pannonischen Grabstelen, nicht doch die Frisur der Kaiserinnen übernahmen. Vom Rest des Körpers ist aber immerhin genug erhalten, um zu sehen, daß die einheimische Tracht auch in einem kleinen Gebiet mehr Varianten kannte, als die Reliefdarstellungen ahnen lassen, vor allem sei auf Nr. 98 mit dem knö­chelfreien Untergewand und den Schuhen mit dem 24

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