Budapest Régiségei 30. (1993)

Harl, Ortolf: Die Stellung der Frau bei den einheimischen Stämmen Nordpannoniens : eine sozial- und kunstgeschichtliche Studie = A nő helyzete Észak-Pannónia bennszülött törzseinél 7-37

Ristriemen hingewiesen. Die drei Frauen sind ein gu­tes Beispiel dafür, wie sehr Schlüsse, die auf einer ge­ringen Materialmenge aufbauen, in die verkehrte Richtung gehen können: Angesichts der Rundplasti­ken des Sekundiniergrabes von Sempeter, angesichts der vielen Stelen mit sitzenden Frauen vor allem aus Pannonién und schlußendlich angesichts der freipla­stischen Grabstatuen, die aus Noricum bekannt sind , würde man meinen, daß das Sitzen auch für eine ein­heimische Adelige die repräsentativste Darstellungs­form wäre, doch belehren uns diese drei Statuen eines besseren. Daneben sollte die Möglichkeit nicht ganz ausgeschlossen werden, daß es sich bei allen drei Sta­tuen um junge Mädchen handelt, die, wie wir auf den Stelen, sehen, stehend dargestellt werden (siehe dazu das nächste Kapitel). In diese Richtung deutet das knöchelfreie Untergewand der Statue Nr. 98. Stehende weibliche Figur im Reliefbild Nr. 20, 35, 41, 43, 64, 68, 70, 95 Diese Gruppe ist eindeutig zu umreissen, denn ab­gesehen von Nr. 20 (die seltene Darstellung eines ste­henden Ehepaares) handelt es sich um ein Mädchen (Nr. 64), vier sitzende Frauen mit jeweils einem ste­henden Mädchen (Nr. 35, 41, 68, 95), eine stehende Jugendliche (so die Inschrift von Nr. 70) und eieie Jungverheiratete Frau im Alter von 19 Jahren (Nr. 43). Wenn der an diesen sieben Beispielen ablesbare Trend richtig sein sollte, dann sieht es so aus, als wä­ren Mädchen und Jungverheiratete im Stehen, ältere Frauen dagegen im Sitzen dargestellt worden. Wollte man daraus auf eine Entwicklung schließen, so würde der „Mädchentypus" mit dem zunehmendem Alter der Verstorbenen vom „Matronentypus" abgelöst wer­den. Mit diesem „Typus" der stehenden weiblichen Fi­gur ist anscheinend kein Zwischen- oder Sockelbild verknüpft - vielleicht hat diese Altersgruppe noch nicht das volle Sozialprestige besessen. Zur Ergänzung sei hinzugefügt, daß auch in Oberitalien auf den Re­liefs die stehende Vollfigur selten vorkommt. Thronende Frau im Reliefbild In Vorderansicht Nr. 32, 35, 65, 68, 85, 96 Die Gruppe besteht aus sechs Beispielen. Die Frauen sitzen allein oder zu zweien auf einer Art von Bank mit gedrechselten Beinen. Arm- oder Rücken­lehnen sind nicht zu sehen und aus Platzmangel kön­nen die Beine des Sitzes auch wegfallen (Nr. 68). Mit diesem „Frontalsitztypus" ist anscheinend kein Ncbcn­bild verknüpft. In Seitenansicht mit gedrehtem Oberkörper Nr. 10, 40,45,59, 91,93, 94 Die Serie dieser relativ gleich gestalteten Steine ist beachtlich: Sieben vollständig erhaltene Exemplare so­wie zwei Bruchstücke, deren Zugehörigkeit zur Serie wahrscheinlich ist (Nr. 90, 92.) Diese Darstellung der thronenden Frau hat einen besonderen Charakter: Der Thron ist von der Seite her gesehen, was die Möglichkeit bietet, gedrechselte Lehnenteile und gelegentlich auch die wohl aufwendi­ge Konstruktion des Unterbaus zu zeigen. Der Stel­lung des Thrones entsprechend muß der Unterkörper der Verstorbenen in Seitenansicht gezeigt werden, in der Hüfte aber dreht sich der Oberkörper in die Fron­talansicht. Reicher Schmuck an Armen, Hals und Oh­ren, Kopfbedeckung mit Schleier und Gegenstände in den Händen üben auch heute noch, nach Verblassen der einstens aufdringlichen Farbigkeit ihre Wirkung aus. Die Diskrepanz zwischen dem repräsentativen Anspruch und dem Dilettantismus seiner Umsetzung bewirkt den äußerst provinziellen Charakter dieser Frauengestalten, der durch die mitunter arg mißlun­genen Proportionen sowie durch die wie mit zitternder Hand geschlagenen Buchstaben der Inschrift noch verstärkt wird. Nach oben sind die Nische mit der Fi­gur und auch der Stein meist rund abgeschlossen, Nr. 10 und 94 besitzen ein Sockelbildchen mit Wagenfahrt (die Stele der Bozi, Nr. 40 weicht insoferne ab, als unter dem Bild der Verstorbenen ein gerahmtes In­schriftfcld angebracht ist). Dieser Sitztypus auch auf dem Hauptbild einer Stele in Gilau (Rumänien) , wo eine Frau - offensichtlich die hinterbliebene Ehefrau - auf einem Thron sitzend am Totenopfer teilnimmt. Obwohl beide Steine weit voneinander aus der Erde gekommen sind, entsprechen sie sich in der Darstel­lung des weitausladenden Rockes der Frau mit seinem riefelarligen Längsstreifen, was eine Verwandtschaft des eraviskischen Grabdenkmals mit dem dakischen Totenopfer nahelegt. Stelen dieses Typus kommen in einem Bogen zwischen Brigetio und Aquincum, also bei den Azalern und Eraviskern, nicht aber bei Boiern vor, weshalb man vermuten kann, daß sich das Motiv der thronenden Frau auf beide Seiten der ungarischen Tiefebene beschränkt hat. Da Dakien als erobertes Territorium reines Einwanderungsland war, muß die­ses Motiv importiert worden sein, und zwar wohl von den Eraviskern, von denen es auch in die andere Rich­tung, nämlich zu Azalern ausgestrahlt hat. Das Brustbild Nr. 1, 2, 3, 5 = 17. 16 = 42, 11, 39, 44, 47, 49, 56, 61, 62, 72, 73, 75, 86, 88 Das Brustbild ist der beliebteste Darstellungstyp in der provinzialrömischen Grabkunst und daher mit 18 Exemplaren am stärksten vertreten. Seine Qualitäts­stufen reichen vom nur wenig geglätteten Felszahn Nr. 39 (Abb. 1) bis zu aufwendig gearbeiteten Stücken mit Architekturdekor wie Nr. 44 oder 75. Relativ vielfältig ist auch die Gestaltung des Stelenaufbaues. Die ein­fachste Form besteht lediglich aus Schrift und Bild oh­ne Rahmung oder Gliederungselemente (Nr. 3, 5 = 17), die aufwendigste ist die Registerstele Nr. 75 mit architektonisch gerahmter Nische, Zwischenbild 25

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