Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 52. (2007)

DÖBERL, Mario: Höfisch oder privat? Die Beschaffung und Wartung von Wägen am Wiener Kaiserhof in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts

Mario Döberl Schlüsse gezogen habe. In ihren Rechtfertigungsschreiben gingen die Beschuldigten Punkt für Punkt auf Kaltenbrunners Vorwürfe ein. Wenzel Schwertner berichtete, die Handwerker der Hofsattlerei hätten für den Kanzleidirektor tatsächlich einen Wagen hergestellt. Dabei sei aber alles rechtmäßig abgelaufen, denn der Oberststallmeister habe den Bau genehmigt, die Arbeiten seien in den Stunden nach Feierabend durchgeführt worden und Grill habe sämtliche Materialien selbst beschafft. Schwertner leugnete auch nicht, dass er mit Hilfe von anderen Gesellen für seinen Nachwuchs ein „Kinderwagerl“ in der Hofsattlerei gebaut habe. Dies sei aber ausschließlich an Sonn- und Feiertagen geschehen, an denen zwar Handwerker in der Hofsattlerei anwesend sein mussten, aber kein regulärer Betrieb stattfand. Es habe sich dabei laut Schwertner nur um eine Spielarbeit aus „Holz und einigen Eisenabfallen“, die keinen Wert und Nutzen mehr hatten, gehandelt. Die Herstellung des Fahrzeugs sei aber keineswegs, wie von Kaltenbrunner behauptet, heimlich vorgenommen worden, „sondern dieses Wagerl wurde nur in den Wochentagen auf den Dachboden gestellt und so den Augen der Neugierigen entzogen.“ Schwertner gab zu, dass - wie von Kaltenbrunner angezeigt - an einem hoffremden, am Josephsplatz eingestellten Wagen Arbeiten durchgeführt worden waren, räumte aber sogleich ein, dass es sich dabei um einen Wagen des Oberststallmeisters Trauttmansdorff gehandelt habe. Die Arbeiten seien äußerst dringend gewesen und Trauttmansdorff habe auch alle verwendeten Materialien selbst bezahlt. Kaltenbrunners Vorwurf, in der Hofsattlerei seien illegalerweise private Arbeiten für den Hoflederlieferanten Hallmayer verfertigt worden, versuchte Schwertner auf folgende Weise zu entkräften: Hallmayer habe binnen kurzer Frist eine große Zahl an Riemen für Triebräder liefern müssen. Da er keine anderen Riemer kannte, die ihn spontan bei der Bewältigung seines Großauftrages unterstützen konnten, habe er jene der Hofsattlerei um die „Gefälligkeit“ gebeten, ihm an mehreren Tagen in den Abendstunden Häute zuzuschneiden. Die angesprochenen Riemergesellen hätten Hallmayer diesen Freundschaftsdienst freiwillig und in ihrer Freizeit erwiesen.176 Equipagen-Inspektor Nörpel verteidigte sich gegen die Anschuldigung, er habe seine Privatfahrzeuge vor dem Verkauf in der Hofsattlerei zurichten lassen, damit, dass seine Wägen zwar mit Erlaubnis des Oberststallmeisters in den Hofstallungen untergestellt worden seien, diese aber keiner Reparatur bedurft hätten. Nörpel räumte allerdings ein: Da wohl öfters der Fall sich ergibt, daß, wenn ein Wagen an einem trockenen Orte, durch längeres Stehen das Holz eintrocknet und dadurch die Ringe der Schrauben durch das eintrocknen etwas los werden, so könnte auch hier sich der Fall ergeben haben, daß der k. k. Wagenmeister Wenzel Schwertner, nachdem er selbe unter seine Aufsicht genommen, eine solche Kleinigkeit, welche dem Aerarium nicht zum Nachteil war, da kein aerarialisches Materiale hiezu erforderlich, von denen ihm untergeordneten Hofsattlerei-Individuen während denen Feuerstunden habe machen lassen, meines 176 Wagenmeister Schwertner an das Oberststallmeisteramt, Wien 1836 April 11, HHStA, OStA, C, 112, einliegend ZI. 1 234 aus 1835, unfol. 152

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