Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 52. (2007)

DÖBERL, Mario: Höfisch oder privat? Die Beschaffung und Wartung von Wägen am Wiener Kaiserhof in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts

Mario Döberl Produzenten wurde im zunehmenden Maße auch das Ausland.131 Von dort trafen auch hochrangige Aufträge an heimische Produzenten ein. Nicolaus Koller verkaufte etwa 1824 dem ägyptischen Pascha einen Galawagen132 und Simon Brandmayer, der jährlich im Durchschnitt hundert Fahrzeuge exportierte,133 lieferte im gleichen Jahr für den päpstlichen Hofstaat 24 Eilwägen.134 Auch im habsburgisch regierten Teil Italiens übten Wiener Entwürfe um 1830 großen Einfluss aus.135 Die meisten Wägen wurden aber in der östlichen Hälfte Europas und in die Türkei verkauft.136 Ignaz Grill zeigte sich unbeeindruckt von der Tatsache, dass Wiener Wägen im Ausland zunehmend beliebter wurden und sogar ausländische Höfe Fahrzeuge in Wien ankauften. Im Gegensatz zum Oberststallmeister war er der Ansicht, dass die Erzeugnisse der Hofsattlerei keinen Vergleich mit Fahrzeugen in Wien ansässiger, international etablierter Sattlermeister zu scheuen brauchten. Grill schrieb an den Kaiser, der „Zustand der sämtlichen Hofwägen vor dem Jahre 1820 und nach dem Jahre 1820 wird allgemein zugunsten der letzteren Zeit geschildert“; des weiteren habe Franz I. ihm gegenüber mehrmals der Ansicht Ausdruck verliehen, „daß in keiner früheren Epoche die Hofwagenburg glänzender und die Sicherheit in der Bedienung vollkommener gewesen sei, als in der letzteren.“137 * Was die Modernität des Fahrzeugdesigns betraf, hatte der Kanzleidirektor eine differenzierte Sichtweise: 131 „Daß die Sattler- und Riemer-Arbeiten Wiens sich schon seit einer Reihe von Jahren den vortheilhaftesten Ruf im In- und Ausland erworben haben, ist eine bekannte Thatsache, und wurde vor einigen Jahren, als der Handel überhaupt noch nicht so, wie gegenwärtig gedrückt war, durch zahlreiche Bestellungen aus Polen, Rußland, der Türkey, der Schweiz, Italien, Frankreich und Teutschland häufiger anerkannt.“ Ebenda. 132 Ebenda. 133 Keeß: Beschreibung der Fabricate, Bd. 2 (Wien 1823), S. 242. 134 Wiener Kunst- und Gewerbsfreund. Wien 1825, Heft 1, ohne S. 135 Belloni, Luigi: La carozza nella storia della locomozione. Torino-Milano-Roma 1901, S. 92 und 95. 136 Oft wurden Fahrzeuge auch in unfertigem Zustand exportiert. Stephan Edler von Keeß schrieb 1823 zu den Exportdestinationen, es würden „viele leere Wägen nach der Türkey, vornehmlich nach Bukarest und Jassy, nach Polen, Rußland, Preußen, Sachsen etc. verschickt, selbst aus Cairo, Brasilien und Nordamerika langten Bestellungen an.“ Keeß: Beschreibung der Fabricate, Bd. 2 (Wien 1823), S. 242. Für den Zeitraum zwischen 1804 und 1816 gibt von Keeß auch konkrete, den Wagenexport betreffende Zahlen an: „Nach den zollämtlichen Tabellen sind im J. 1804 von Wien aus für 86 308 fl. neue Wägen verschickt worden, wovon nach der Türkey allein für 53 898 fl. gingen. Bis zum J. 1810 war die Ausffuhr] so gestiegen, daß sie in diesem Jahre nach der Türkey 321 254 fl., nach Triest 6 600 fl., nach Italien 3 800 fl., nach Tyrol 500 fl., nach West-Teutschland 19 450 fl., nach Frankreich 1 875 fl., nach Sachsen 4 350 fl., nach Preußen 3 250 fl. betrug. Im J. 1812 betrug die Versendung an neuen Wagen ins Ausland wieder nur 95 110 fl., J. 1813: 74 825 fl., J. 1814:64 240 fl., J. 1815:203 440 fl., J. 1816: 100 700 fl.; [...].“ Ebenda, S. 242 f. 137 Oberststallmeisteramts-Kanzleidirektor Grill an Kaiser Franz I., Wien 1829 September 12, HHStA, OStA, C, 83, Fasz. 19, ohne ZI., unfol. 144

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