Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 52. (2007)

DÖBERL, Mario: Höfisch oder privat? Die Beschaffung und Wartung von Wägen am Wiener Kaiserhof in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts

Höfisch oder privat? Die Beschaffung und Wartung von Wägen am Wiener Kaiserhof Sämtliche Wägen der Hofwagenburg müssen entweder dem Geiste der Zeit oder dem Gebrauche, zu welchem sie bestimmt sind, angemessen sein. Daß die vorhandenen neuen Stadtwägen dem Geiste der Zeit angemessen seien, hierüber herscht ein allgemein günstiges Urteil. Da nun überdies mehrere neue Wägen, wie zum Beispiel der zur Krönung Ihrer Majestät der Kaiserin als Königin von Ungarn im Jahre 1825 neu verfertigte viersitzige reiche Landauer [Abb. 3], von der Art sind, daß kein hiesiger Sattlermeister seit dem Jahre 1820 gleiche Wägen aufzuweisen vermag, so gehet offenbar hervor, daß die vorhandenen Individuen der Hofsattlerei jene Kenntnis im Wagenbau besitzen, die nur immer gefordert werden kann.138 Bei den Reisewägen seien hingegen andere Qualitäten vorrangig. Es müsse bei diesen „nicht so sehr der Geist der Zeit, als vorzüglich die Bestimmung des Gebrauches berücksichtiget werden“. Denn, so Grill: Was würde zum Beispiel Eurer Majestät Leibkammerdiener ein Modereisewagen nützen, wenn er nicht die Bequemlichkeit hätte, Kleider und Uniformen Eurer Majestät von einem Orte zum andern unversehrt zu überführen?139 Dem Vorwurf des Oberststallmeisters, das Design der Wägen des Wiener Hofes sei nicht auf der Höhe der Zeit, hielt der Kanzleidirektor des Weiteren finanzielle Argumente entgegen: Die Hofwagenburg stets mit dem fast alljährlich abwechselnden Geschmacke einzelner Sattlermeister, die Neuerungen bloß deswegen vornehmen, um einen größeren Absatz zu finden, gleichen Schritt halten zu lassen, wäre bei dem Dasein mehrerer hundert Wägen sehr kostspielig, indem die älteren Wägen nur um sehr wohlfeile Preise veräußert, dahingegen neue Wägen um hohe Preise angekauft werden könnten.140 Aus diesem Grund könne es nach Ansicht Grills keinesfalls im Interesse des Kaisers liegen, den Forderungen Trauttmansdorff nach modischeren Fahrzeugen nachzugeben.141 Um Franz I. für die Beibehaltung der Hofsattlerei in ihrem jetzigen Umfang zu gewinnen, führte Grill bereits erzielte Kostenersparnisse ins Feld. Eine Aufstellung jener Rubrik der jährlichen Gebarungsausweise, in der die Ausgaben für „Stallerfordemisse, Erhaltung der Wägen, Reitequipagen, Pferdegeschirre“ erfasst wurden - Personalkosten sind hierbei nicht berücksichtigt -, zeigt für die Jahre 1816 bis 1829, dass die Ausgaben seit Beginn dieses Zeitraums tatsächlich gesunken waren, und dass dabei vor allem das Jahr 1820 eine Zäsur darstellte.142 Dieses Argument dürfte beim Kaiser, der für Einsparungsmaßnahmen immer ein 138 Oberststallmeisteramts-Kanzleidirektor Grill an Kaiser Franz I, Wien 1829 September 12, HHStA, OStA, C, 83, Fasz. 19, ohne ZI., unfol. 139 Ebenda. 140 Ebenda. 141 Ebenda. 142 Die Ausgaben der Rubrik „Stallerfordemisse, Erhaltung der Wägen, Reitequipagen, Pferdegschirre“ beliefen sich in den Jahren 1816 bis 1829 auf folgende Summen (die Kreuzer- Beträge sind gerundet): 1816: 501 981 fl. C.M.; 1817: 190 182 fl. C.M.; 1818: 155 057 fl. C.M.; 1819: 182 766 fl. C.M.; 1820: 72 391 fl. C.M.; 1821: 79 664 fl. C.M.; 1822: 122 177 fl. C.M.; 1823: 118 814 fl. C.M.; 1824: 71 091 fl. C.M.; 1825: 70 468 fl. C.M.; 1826: 77 455 fl. C.M.; 1827: 64 876 fl. C.M.; 1828: 83 432 fl. C.M.; 1829: 65 143 fl. C.M. Oberststallmeisteramts- Kanzleidirektor Grill, Wien 1830 März 17, HHStA, OStA, C, 83, Fasz. 19, ohne ZI., unfol. 145

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