Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 52. (2007)

DÖBERL, Mario: Höfisch oder privat? Die Beschaffung und Wartung von Wägen am Wiener Kaiserhof in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts

Mario Döberl gefunden wurden und wie die Wagenbeschaffung in der Praxis funktionierte. Außerdem soll die Geschichte der Hofsattlerei ausführlich geschildert werden. Ein Anhang bietet schließlich einen Überblick zum wechselnden Fahrzeugstand der k. k. Hofwagenburg im Zeitraum von 1766 bis 1850. Die untere Grenze des Untersuchungszeitraums ergibt sich aus dem verfügbaren Quellenmaterial. Die Aktenbestände des Oberststallmeisteramtes sind für die Zeit vor 1813 nur höchst unvollständig erhalten.4 Zuverlässige Aussagen für das 18. Jahrhundert sind daher für Fragen bezüglich Wägen am Wiener Hof nur beschränkt möglich. Die obere zeitliche Grenze wurde aufgrund der Fülle des Quellenmaterials willkürlich gesetzt und stellt keinen Einschnitt für die Art der Hofwagenbeschaffung dar. 2. Die Beschaffung der Hofwägen zu Beginn des 19. Jahrhunderts In den ersten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts lag die Herstellung von Fahrzeugen für den Wiener Hof ausschließlich in den Händen von bürgerlichen Handwerksmeistern.5 Die Hofsattlerei, in jenem Zeitraum häufig auch als „Flicksattlerei“ bezeichnet, konnte diese Aufgabe nicht erfüllen. Sie war ein personell schwach besetzter Zweig des Oberststallmeisterstabes, dem an Handwerkern mit fester Anstellung und fixem Salär allein zwei bis vier Sattler- und ein bis zwei Riemergesellen zugeteilt waren.6 Zeitweise erhielten diese Handwerker 4 Der Grund dafür ist nicht ganz klar, fest steht aber, dass die vor 1813 angelegten Akten schon 1813 oder kurz darauf verloren gingen. Im Jahr 1818 wurde in einem Schreiben behauptet, die Akten des Oberstsallmeisteramtes seien „in früheren Zeiten nicht gesammelt worden“. Oberststallmeisteramt an das Oberstkämmereramt, Wien 1818 September 18, HHStA, OStA, B, 24, ZI. 1 588 aus 1818, unfol. Zwei Jahre später vermutete man, die Akten seien im Zuge der französischen Invasionen beziehungsweise bei den damit in Zusammenhang stehenden Evakuierungsmaßnahmen des Hofes in Verlust geraten; in Erwägung gezogen wurde damals außerdem, dass die räumlichen Verhältnisse in der Amtskanzlei so beengt waren, dass man nicht ausreichend Platz für die Akten gehabt und diese deshalb entsorgt habe, um Platz für neue Akten zu schaffen. Oberststallmeister Trauttmansdorff an Kaiser Franz I., Prag 1820 Mai 20, HHStA, OStA, C, 111, ZI. 1 174 aus 1834, unfol. 5 Die um 1800 bestehende Praxis wurde bestimmt schon seit längerer Zeit angewandt. Seit wann genau sie üblich war, ist nicht bekannt. Im Jahr 1820 war man im Oberststallmeisteramt der Ansicht, die Hofsattlerei sei „seit undenklichen [Zeiten] und vielleicht Jahrhunderte“ lang nicht mehr zur Herstellung von Fahrzeugen verwendet worden. Oberststallmeister Trauttmansdorff an die Hofkanzlei, Wien 1820 November 27, HHStA, OStA, B, 29, ZI. 801 aus 1820, unfol. Diese Angabe stützte sich aufgrund fehlender Akten wohl vor allem auf mündlicher Überlieferung und ist entsprechend kritisch zu werten. 6 Vgl. Döberl, Mario: Die Kutschen der Kaiser. Zur Geschichte des Wiener Hofwagenbaus im 18. und 19. Jahrhundert. Diss. Wien 2004, S. 163-165. Im Jahr 1820 schrieb Trauttmansdorff: „[...] da seit undenklichen Zeiten bei dem Oberststallmeisterstabe eine so genannte Flicksattlerei aus vier besoldeten Sattler- und zwei Riemergesellen, dann aus einem Sattler- und zwei Riemergesellen mit dem Lohne eines Roßwärters bestand [...].“ Oberstallmeister Trauttmansdorff an Kaiser Franz I., Prag 1820 Mai 20, HHStA, OStA, C, 111, ZI. 1 174 aus 1834, unfol. Tatsächlich gab es in den ersten beiden Jahren des 19. Jahrhundertes nur zwei Planstellen für 116

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