Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 51. (2004)

FISCHER, Robert Tarek: Ballhausplatz und Davidstern. Die k. u. k. Diplomatie und die österreichisch-ungarischen Juden Palästinas in der Krisenzeit des Ersten Weltkrieges 1914–1918

Robert Tarek Fischer darüber hinaus direkten Kontakt mit den in Österreich-Ungarn lebenden Kuratoren der Gemeinden auf, schilderte ihnen die Situation in Palästina und bat dringend um eine Intensivierung der Spendentätigkeit.26 In einem dieser Schreiben appellierte der Konsul: Ohne mich auf eine nähere Schilderung der vielfachen Ursachen der unter ihnen herrschenden Not und der mitunter erschütternden Details einzulassen, konstatiere ich hiemit die Tatsache, dass das Elend unter den hiesigen Juden eine nie da gewesene Höhe erreicht hat, dass dieselben buchstäblich Hungers leiden, und dass infolgedessen die Zahl der durch Unterernährung bedingten Schwächezustände, Krankheiten und Todesfälle in stetem Wachsen begriffen ist. Mit einem Worte: Ausgiebige und rasche Hilfe ist dringend not!27 4. Die Unterstützungsmaßnahmen des Ballhausplatzes Die Hilferufe aus Palästina verhallten in der Donaumonarchie nicht ungehört. Neben den Kuratoren der Gemeinden, die den Spendenfluss inmitten der Kriegswirren aufrechtzuerhalten suchten, wurden neu gegründete jüdische Organisationen wie die ,Hilfskommission 1915 für Palästina’ unter Leitung des Wiener Rabbiners Max Grunwald oder das ,Ungarische Zentralhilfskomitee für Palästina’ aktiv. Ihnen gelang es, auch außerhalb der jüdischen Orthodoxie bedeutende Summen für die österreichisch-ungarischen Juden Palästinas aufzubringen.28 Um ihre Sammelbemühungen aber tatsächlich zum gewünschten Erfolg zu führen, benötigten sowohl die Gemeindekuratoren als auch die Hilfsorganisationen staatlichen Beistand, da bei Kriegsausbruch die Bankverbindungen Österreich-Ungarns zum Osmanischen Reich abgerissen waren und die Spendengelder deshalb nur über das k. u. k. Ministerium des Äußern und das k. u. k. Konsulat in Jerusalem an die Empfänger weitergeleitet werden konnten. Für die neuen jüdischen Hilfsorganisationen war die offizielle Unterstützung des Ballhausplatzes überdies erforderlich, um bei ihren Sammelaktionen eine größere Breitenwirkung zu erzielen. Das k. u. k. Ministerium des Äußern zeigte während des gesamten Weltkrieges grundsätzlich große Bereitschaft, den jüdischen Schutzgemeinden in Palästina sowie den jüdischen Spendern in der Monarchie nach Kräften unter die Arme zu greifen. Die Politik des Ballhausplatzes war zu einem guten Teil von dem Bestreben des Staates motiviert, gute Beziehungen zur heimischen jüdischen Bevölkerung zu unterhalten,29 die 26 E1 i a v : Das österreichische Konsulat in Jerusalem und die jüdische Bevölkerung, S. 70-72. 27 HHStA, Konsulatsarchiv Jerusalem 132, Bericht Kraus an Sändor Lederer, Präsident des Ungarischen Palästina-Zentral-Komitees, Jerusalem 1916 April 17. 28 HHStA, PA XII 380, Mappe 2, fol. 27, 55, 123, Zahlungen von Rabbiner David Schreiber, Kurator der Galizischen Gemeinde, an k. u. k. Ministerium des Äußern; HHStA, PA XII 378, Liasse XLlI/g, fol. 3, Max Grunwald an k. u. k. Ministerium des Äußern, Wien 1917 Februar 2. 29 HHStA, PA XII 377, Liasse XLII/2a, fol. 11, Memorandum k. u. k. Ministerium des Äußern, Wien 1917 März 16. 312

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