Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 51. (2004)

FISCHER, Robert Tarek: Ballhausplatz und Davidstern. Die k. u. k. Diplomatie und die österreichisch-ungarischen Juden Palästinas in der Krisenzeit des Ersten Weltkrieges 1914–1918

Ballhausplatz und Davidstem in dem von Nationalitätenkonflikten erschütterten Vielvölkerreich Österreich-Ungarn einen wichtigen Stützpfeiler für den Staat darstellten: Kaiser Franz Joseph, der sich als Schutzherr der Gleichberechtigung unter seinen Völkern begriff und in jüdischen Kreisen große Popularität genoss, konnte auch im Ersten Weltkrieg auf deren uneingeschränkte Loyalität zählen. Die Juden unterstützten den Waffengang der Monarchie bis zum Zusammenbruch durch intensives Zeichnen von Kriegsanleihen und hoher Beteiligung an der Kriegsfürsorge, darüber hinaus dienten etwa 300 000 jüdische Soldaten in der kaiserlichen Armee, die Zahl der jüdischen Offiziere übertraf die jeder anderen Streitmacht bei weitem.30 Die Aufrechterhaltung harmonischer Beziehungen zu dieser enorm patriotischen Gefolgschaft war für den Staat gerade in den Kriegsjahren von größter Bedeutung. Das k. u. k. Ministerium des Äußern hatte deshalb einiges Interesse daran, dem österreichisch-ungarischen Judentum zu signalisieren, dass die Regierung an der tristen Lage ihrer Glaubensbrüder im fernen Palästina Anteil nahm und alles in ihrer Macht Stehende tat, um eine Verbesserung ihrer allgemeinen Lebensumstände herbeizuführen. Die Befürchtung, dass bei einer in der Palästina-Frage ablehnenden Haltung der k. u. k. Regierung ein Rückschlag auf die Stimmung der mit den hierländischen Glaubensgenossen in enger Fühlung stehenden Israeliten österreichisch und ungarischer Staatsangehörigkeit im Auslande, insbesondere in Amerika, zu gewärtigen wäre,3 wirkte in diesem Zusammenhang als zusätzliche Motivation. Die zweite wesentliche Triebfeder für die aktive Schutzpolitik Österreich-Ungarns war Konsul Friedrich Kraus. Er wies die k. u. k. Botschaft in Konstantinopel und das Außenministerium seit Oktober 1914 immer wieder mit allem Nachdruck auf die Not seiner Schutzbefohlenen hin32 und trug mit seinen Appellen maßgeblich zu einer entsprechenden Bewusstseinsbildung am Ballhausplatz bei. Zusätzliches Gewicht gewannen Kraus' Appelle durch den Umstand, dass er sich bei den osmanischen Behörden in Jerusalem einigen Respekt erworben hatte, sich als ebenso energischer wie umsichtiger Vertreter österreichischer Interessen in der Region erwiesen hatte und hohes Ansehen bei seinen Schutzbefohlenen genoss. Die jüdischen Gemeinden drückten ihm des Öfteren ihre Dankbarkeit aus. Lasar Spira, der Vorsteher der knapp 3 000 Mitglieder zählenden Galizischen Gemeinde, sah sich im März 1917 sogar dazu veranlasst, das k. u. k. Ministerium des Äußern um die Verleihung einer Auszeichnung 30 Kreppei, J.: Juden und Judentum von heute. Zürich-Wien-Leipzig 1925, S. 137-148; Pauley, Bruce F.: Eine Geschichte des österreichischen Antisemitismus. Wien 1993, S. 53-55, S. 100-102. 31 HHStA, PA XII 377, Liasse XLII/2a, fol. 13 f., Memorandum k. u. k. Ministerium des Äußern, Wien 1917 März 16. 32 HStA, Konsulatsarchiv Jerusalem 132, fol. 4, Kraus an k. u. k. Botschaft in Konstantinopel, Jerusalem 1914 Oktober 8. 313

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