Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 50. (2003) - 200 Jahre Russisches Außenministerium
AUGUSTYNOWICZ, Christoph: „Ablegations-negocien von keiner erhöblichkeit“? – Wirken und Wirkung der Moskauer Großgesandtschaft in Wien 1687
„Ablegations-negocien von keiner, erhöblichkeit“? 2) Die Bemühung der europäischen Mächte, den Moskauer Staat jeweils für sich zu gewinnen und auf diesem Weg vor allem die Hegemonie Schwedens und des Osmani- schen Reiches im Osten Europas zu beenden. 3) Das Lavieren der Moskauer Diplomatie, um Bündnisverpflichtungen zu vermeiden und eine selbstständige Außenpolitik zu wahren. Mit Schweden bestand seit 1661 ein in Kardis abgeschlossener Friedensvertrag, in dem Moskau zugestimmt hatte, das Baltikum zu räumen, auf eine Konsolidierung seiner Position an der Ostsee zu verzichten und Maßnahmen zur Erleichterung des Handels zwischen den beiden Staaten zu ergreifen. Die Annahme dieser für Moskau nachteiligen Bestimmungen wurde als ein Zeichen für die nach Europa orientierte Politik Sofijas interpretiert, die den Friedensvertrag 1684 in Moskau bestätigen ließ. Jedenfalls stand diese Politik der Regentin jedoch für ihr politisches Programm: Mit Schweden sollte stillgehalten werden, um den Erwerb Kievs und somit die Expansion nach Südwesten - aus Moskauer Persepektive - zu garantieren.6 Aus der Wiener Perspektive verstellte der Friede von Bahvesaray von 1681 zwischen dem Moskauer Staat und dem Chanat der Krim Aussichten auf eine polnisch- litauisch-moskauische Verständigung gegen den gesamten Südosten. König Johann III. Sobieski setzte jedoch seine Pläne gegen das Osmanische Reich gegenüber profranzösischen und somit antiösterreichischen Kräften in Polen-Litauen durch. Der Sejm bewilligte die Allianz mit dem Kaiser und umfangreiche Kriegsaufwendungen. Auf den Entsatz von Wien, bei dem die Stadt 1683 auf osmanische Initiative hin belagert und mit Hilfe des Reiches und Polen-Litauens entsetzt werden konnte, folgte im Herbst des Jahres ein Feldzug nach Oberungarn. Den gemeinsamen Kampf gegen das Osmanische Reich und seine Verbündeten führten die betroffenen Staaten in Gestalt der so genannten Heiligen Liga. Ihr gehörten seit 1684 Kaiser Leopold L, Papst Innozenz XL, Polen-Litauen und Venedig an.7 Da sich die russische Außenpolitik mit der Orientierung an der Heiligen Liga gegen das Krim-Chanat und somit gegen die Osmanen wandte, musste auch das Verhältnis Moskaus zu Polen-Litauen neu definiert werden. Im Frühjahr 1686 erreichte eine polnisch-litauische Gesandtschaft unter Leitung des Wojewoden von Posen, Krzysztof Grzymutowski, Moskau, um einen Frieden zwischen den beiden Mächten zum Abschluss zu bringen. Die 1667 in Andrusovo8 ausgehandelten territorialen 6 Hughes: Sophia. S. 187-189; zu den Bestimmungen des Friedens von Kardis siehe Troebst: Handelskontrolle. S. 480-485; zu den Umständen der Bestätigung 1684 siehe Zern ack: Studien. S. 127-133. 7 Zernack: Studien. S. 65-67; Roos, Hans: Polen von 1668 bis 1795, in: Handbuch der Europäischen Geschichte, Bd. 4. Stuttgart 1968, S. 690-752, hier S. 708-713; zu den Verhältnissen in Polen-Litauen siehe Zbigniew, Wójcik: Jan Sobieski 1629-1696. Warszawa 1983, S. 312-384; zur Heiligen Liga und Moskau siehe Sch w arcz, Iskra: Rusija i svesctenata liga (1684-1688), in: 300 godini ciprovsko västanie (Prinos kam istorijata na Bälgarite prez XVII v.). Sofija 1988, S. 272-285. 8 Vgl. Zbigniew, Wójcik: Traktat Andruszowski 1667 roku ijego geneza. Warszawa 1959, S. 255- 256; zur Bedeutung und internationalen Beachtung des Waffenstillstandes von Andrusovo vgl. Bickford-O’Brien Carl: Russia under two tsars, 1682-1689. The Regency of Sophia. Berkley 1952, S. 98; Bickford-O’Brien Carl: Muscovy and the Ukraine. From the Pereiaslavl Agree 45