Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 50. (2003) - 200 Jahre Russisches Außenministerium

ZENČEV, Vladimir: Der Beginn der russisch-österreichischen Beziehungen

Der Beginn der russisch-österreichischen Beziehungen des Fürsten Michail Glinskij zu Maximilian. Diese überbrachte neben den Glück­wünschen zur Thronbesteigung die Vorschläge Vasilijs III., mit ihm einen Vertrag abzuschließen, auf Grund dessen sie „sich gegenseitig Hilfe gewährleisten könnten gegen ihren Nachbarn und gegenseitigen Widersacher, den polnischen König“.2 Die Zuspitzung der Auseinandersetzung des Reichs mit Polen, vor allem der Streit um Ungarn, beschleunigte die Entwicklung der Ereignisse. 1514 schlug Maximilian I. selbst den Abschluss eines Vertrags mit Moskau über ein ewiges Friedensbündnis vor und versprach feierlich, dessen Bedingungen einzuhalten. Der abgestimmte Vertragstext wurde von ihm am 4. August 1514 in Ulm unterzeichnet und zu Be­ginn des folgenden Jahres von den aus Wien geschickten Gesandten Jakob Ösler und Moritz Burgstaller in Moskau übergeben. Das Übereinkommen sah vor: die Fortsetzung der guten Freundschaft zwischen den beiden Herrschern und ihren Kindern, gemeinsame Handlungen gegen alle ihre Feinde, besonders aber gegen den polnischen König Sigismund I., sowie die Zustimmung zur Rückgabe der von den Polen eroberten Gebiete in Preußen an das Reich sowie Kiews an Russland. Auf diese Weise bestätigte und festigte der Vertrag von 1514 ziemlich genau die Bestimmungen des Übereinkommens von 1490. Dieses Dokument wurde zu einem historischen Meilenstein nicht nur in den bilateralen Beziehungen, sondern auch für die Kontakte Russlands zu Europa insgesamt. Es zeigte Europa die zunehmende Bedeutung des Russischen Staates in europäischen Angelegenheiten und gewährte dem Reich politische Unterstützung im Konflikt mit der Jagiellonen-Dynastie in Polen. Für Russland ist dieser Vertrag auch noch in einer anderen Beziehung wichtig. In der Urkunde Maximilians I., die mit einem großen goldenen Siegel versehen ist, wird der Moskauer Herrscher mit dem Titel „Kaiser“ angesprochen. Man muss die besondere Empfindsamkeit der Herrscher des Russischen Staates bezüglich der Frage ihrer Titulierung und der ihnen erwiesenen Würdigungsgesten berücksichti­gen, um bewerten zu können, welche Bedeutung die Verwendung des Titels „Kai­ser“ durch den Kaiser des Heiligen Römischen Reiches selbst für das Prestige und die Selbstbehauptung Moskaus hatte. Obwohl die Frage der Titulierung der russi­schen Zaren nicht nur einmal Stolperstein in ihren Beziehungen zu Europa war - so wurde der Titel „Kaiser“ im Schriftverkehr mit Wien in den folgenden zweihundert Jahren nicht mehr verwendet -, figurierte die Urkunde aus dem Jahr 1514 mehrere Male in der russischen Diplomatie als Argument für die gleichberechtigte Stellung der russischen Zaren mit den Monarchen Europas. Nachdem infolge der Reformen Peters I. Russland eine anerkannte europäische Großmacht geworden war, versand­te Peter zur Stärkung seiner Autorität 1718 eine Übersetzung der Urkunde Maximi­lians I. an alle in Russland akkreditierten ausländischen diplomatischen Vertreter als Beweis dafür, dass der russische Herrscher schon seit langem „vom allerersten 2 BantyS-Kamenskij, Nikolaj N.: Obzor vneänich snosSenij Rossii (po 1800 god). C. l.-SPb, 1984; S. 4. 21

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