Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 49. (2001) - Quellen zur Militärgeschichte – 200 Jahre Kriegsarchiv

HILLBRAND, Erich: Das Kriegsarchiv von 1945 bis zur Jahrtausendwende

Das Kriegsarchiv von 1945 bis zur Jahrtausendwende Inzwischen war - noch während der Direktion Kraus - ein unerfreulicher und folgenschwerer Prozess in Gang gekommen, der mit mehreren Unterbrechungen bis 1989 andauem sollte: die Wiederaufnahme der 1927 abgebrochenen Verhand­lungen über die Erfüllung des 1923 mit dem SHS-Staat geschlossenen Archivab­kommens. Diese waren damals an der Weigerung jenes Staates, die durch Artikel XX des Vertrages begründeten Gegenforderungen zu erfüllen, gescheitert. Auch bei den neuerlichen Verhandlungen zeigte sich erst sehr spät Bereitschaft zur Kenntnisnahme derselben bei den jugoslawischen Verhandlungspartnern. Die erste Fühlungnahme erfolgte 1959, die Überreichung der Forderungsliste im Juni I960.66 Obwohl man Jugoslawien die Kopierung aller für das Land interessanten Stücke angeboten hatte, drängte es auf Auslieferung der beanspruchten Archivalien67 und versuchte immer wieder mit Zusatzforderungen durchzudringen. Auch das Kriegsarchiv hatte schon ein beachtliches Kontingent ausgeliefert, als sich gemäß Völkerrecht diese Angelegenheit durch den Zerfall Jugoslawiens erledigte. Obwohl das Abkommen mit dem SHS-Staat - geltend für das Gebiet innerhalb der Grenzen von 1923, nicht mit Teilrepubliken - zu Stande gekommen war, versucht der Di­rektor des Kroatischen Staatsarchivs in Agram trotzdem immer noch die Durchset­zung der vermeintlichen Ansprüche seines Landes bzw. die Fortführung der Aus­lieferungen zu erreichen und spricht in polemischer Weise von „entwendeten“ Archivalien.68 Inzwischen wurde es leider zur Gewissheit, dass bei den Kriegs­handlungen auch Teile der aus Wien stammenden Archivalien zu Grunde gegangen sind, von anderen wiederum ist der Aufbewahrungsort unbekannt. Im Einvernehmen mit der zuständigen Bundesgebäudeverwaltung nahm man noch Schadensbehebungen, zahlreiche archivgerechte sowie modernen Sanitärer­fordemissen, Feuer- und Arbeitsschutzbedingungen entsprechende Baumaßnahmen vor. Andererseits bedeuteten Probebohrungen für die unter dem Hause projektierte U-Bahnlinie 3 (U 3) ein gewisses Risiko für das Gebäude. Investitionen erfolgten bis in die frühen 80er Jahre. Die Zahl der Benützer des In- und Auslandes sowie der schriftlichen wissen­schaftlichen Auskünfte stieg zwar kontinuierlich an, trotzdem konnte das Archiv neben der Beschickung zahlreicher Ausstellungen seine Bestände auch selbst der Öffentlichkeit präsentieren. 1971 zeigte das Archiv in seinem Festsaal die von 66 Neck, Rudolf: Eine Erklärung der Generaldirektion des Österreichischen Staatsarchivs. In: MÖStA 29 (1976) 499 f.; Rill, Gerhard - Springer, Elisabeth - Thomas, Christiane: 60 Jahre österreichisch-jugoslawisches Archivübereinkommen. Eine Zwischenbilanz, ln: MÖStA 35 (1982), S. 288 - 347, bes. S. 298. 67 Neck sah darin „eine juristisch vielleicht fundierte, mit archivarischen Prinzipien jedoch kaum zu vereinbarende Auflösung historisch gewachsener Bestände“. Neck: Eine Erklärung der General­direktion. ln: MÖStA 35 (1982), S. 288 - 347. 68 Vecernji list vom 25. Jänner 1998. Vgl. die Stellungnahme «dazu von Leopold Auer und Elisabeth Springer an die Generaldirektion des Österreichisches Staatsarchivs mit Schreiben vom 16. September 1998; Haus-, Hof- und Staatsarchiv, GZ 94/0-H/98. 53

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