Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 48. (2000)

RAUSCHER, Peter – STAUDINGER, Barbara: Der Staat in der frühen Neuzeit. Überlegungen und Fragen zu aktuellen Neuerscheinungen der deutschen Geschichtswissenschaften

spondenzbüro Wolff/Berlin, 1849 die „Österreichische Korrespondenz“/Wien und 1851 Reuter/London. Als Gegengewicht des Ministeriums erblickte 1852 eine „Preßleitung“ mit wechselnder Bezeichnung und unter wechselnder Führung das Licht der kontrollierenden Welt. Die Hintergründe mit den verschiedensten Ein­flüssen schildert die Autorin am Beispiel Rudolf Siegharts, vormals Singer, dessen Tätigkeit von einem der „giftigsten“ Kritiker, nämlich Karl Kraus, heftig angegrif­fen wurde. Sieghart begann seine Laufbahn beim „Wiener Tagblatt“, wechselte als Steno­graph ins Parlament und gewann die Sympathien des Ministerpräsidenten Graf Stürgkh. Nach abgelegtem Jusstudium landete Sieghart im Pressbüro des Minister­rats und 1899 in der Präsidialkanzlei. Damit konnte er über die Presse großen poli­tischen Einfluss ausüben, der ihn bis zum Gouverneur der Bodencreditbank brach­te. Als diese Bank 1929 zusammenbrach, sank auch Siegharts Stern. Nach 1866 stieg auch die Bedeutung der Presse mit dem wirtschaftlichen Auf­stieg in der Gründerzeit. Die Krise von 1873 konnte jedoch dem Zeitungswesen am wenigsten anhaben, die Inhaltsschwerpunkte der Zeitungen und ihre gesellschafts­rechtlichen Grundlagen änderten sich aber. Der Wirtschaftsanteil mit den Börsen­tips wurde durch das Misstrauen der Spekulanten schmäler, Politik und Kultur gewannen an Bedeutung. Edith Walter ergänzt den letzteren Abschnitt mit Anga­ben über Einkommen und Lebenshaltungskosten im Wien der 60er und 70er Jahre, um dann die „technischen Rahmenbedingungen“ wie Papier, Druck- und Nach­richtenwesen zu beschreiben. Mit den Kapiteln „Medienszene“ und „Die Medien“ folgen die umfangreichsten Informationen, sie enthalten auf über 50 Seiten die Geschichte der einzelnen Blät­ter. Dabei kann die Autorin eine deutliche Sympathie, z. B. für die „Arbeiterzeitung“ und eine gewisse Voreingenommenheit - z. B. gegen die „Furche“ - nicht ganz verbergen. Was die Arbeit Frau Walters neben der Gründlichkeit auszeichnet, ist der immer geschickt eingestreute finanzielle Rahmen. Die Autorin gibt ein umfassendes Bild von den Herstellungskosten bis zum monetären Aufwand und Erfolg, besonders des Anzeigengeschäfts. In diesem herrschte nachgewiesenermaßen nicht immer der „ritterliche Wettbe­werb“. Eher „raubritterlich“ ging es auch bei anderen Praktiken zu, mit welchen man sich um eine „gute Presse“ bemühte. Die von Edith Walter belegten Fälle, vorwiegend aus Karl Kraus’ „Die Fackel“ zitiert, könnten als Sujets für mehrere „Krimis“ dienen. Trotzdem war das Inseratengeschäft die mit Abstand wichtigste, weil ergiebigste Einnahmequelle, da die Verkaufspreise meist nicht einmal die Papier-, geschweige denn die übrigen Kosten (Druck, Gehälter, Vertrieb, u. a.) zu decken im Stande waren. War gegen Verstöße durch Inserate mit rechtlichen Mitteln vorzugehen, konnte man gegen einseitige Stimmungsmache, wie ein Beispiel aus dem russisch­431 Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 48/2000 - Rezensionen

Next

/
Oldalképek
Tartalom