Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 48. (2000)

PASETZKY, Gilda: Zwei Wiener Jakobiner und ihre Reise nach Frankreich

Zwei Wiener Jakobiner und ihre Reise nach Frankreich mit Philipp Jaques Ruhl, einem elsässischen Mitglied des Sicherheitsausschusses. Dieser gab den beiden den Rat, Frankreich so schnell wie möglich zu verlassen. Doch Held und Denkmann blieben, in der Hoffnung ihre Aufträge doch noch aus­führen zu können. In der Zwischenzeit machten sie außerdem noch die Bekanntschaft mit einigen Mainzer Flüchtlingen, von denen einer sich bereit erklärt hatte, ihnen als Dolmet­scher zu dienen. Nachdem sie sechs Tage vergeblich gewartet hatten, begaben sie sich am 15. Mai von neuem zum Wohlfahrtsausschuß, diesmal um dem Rat Ruhls zu folgen und Pässe für Nordamerika zu beantragen.38 Was sich nun ereignete, muss sowohl als ein Zeichen der Rivalität zwischen Wohlfahrts- und Sicherheitsausschuß gewertet werden, als auch als ein trauriger Beweis für die extrem gespannte Situation in diesen Kriegstagen, welcher Bürger aus einem feindlichen Staat nun zunehmend zum Opfer fielen: Während Held und Denkmann vor der Tür des Wohlfahrtsausschusses auf ihre Pässe warteten, erhielt dieser folgende Note des Sicherheitsausschusses: Bürger und Kollegen! Die Deutschen, von denen Rühl Euch gestern berichtet hatte, befinden sich im Vorraum Eures Komitees; wir übermitteln Euch hiermit ihre Namen; Ihr werdet es entsprechend Eurer Klugheit beurteilen, ob Ihr ihnen das freie Geleit, daß Ihr ihnen angekündigt habt, gewährt, oder ob Ihr glaubt, sie zur allgemeinen Sicherheit verhaften zu müssen.39 Diese Note ist unter anderem von Ruhl unterzeichnet - demselben, der ihnen den Rat gegeben hatte, so schnell wie möglich Frankreich zu verlassen! Der Wohl­fahrtsausschuß musste diese Intervention zur Kenntnis nehmen und war gezwungen zu reagieren: Vor die Entscheidung gestellt, entweder zu riskieren, sich für mögli­che Feinde der Republik auszusprechen und ihnen das versprochene „freie Geleit“ zukommen zu lassen, oder das gegebene Wort zu brechen, zog man letzteres vor und stellte anstatt der Pässe den Verhaftungsbefehl aus.40 So fanden sich Held und Denkmann, ohne zu wissen warum, im Gefängnis Luxembourg wieder. Nach fünfzehn schrecklichen Tagen - ohne Geld, ohne Mäntel, krank und in vollkommener Ungewissheit - werden sie nochmals von Camot empfangen, und diesmal teilen sie ihm Hebenstreits Erfindung mit. (Von den anderen Aufträgen ist nicht mehr die Rede.) Camot verlangt, dass sie, was sie mündlich - mit Hilfe eines Übersetzers - erklärt hatten, nun auch schriftlich darlegen und ließ sie in ein er­träglicheres Gefängnis verlegen, „damit sie die Pläne ausarbeiten können, die sie 38 Alles: AN, AF II, 57, pl. 415, piece 28, siehe Anm. 25. Auch der weitere Ablauf der Ereignisse ist, wenn nicht anders vermerkt, diesem Dokument entnommen. 39 26 floréal an II [15.5.1794], an das Comité de Salut public, AN, AF II*, 285, keine Seitenzählung. Original auf Französisch. 40 Dieser findet sich in: A u 1 ard : CdSP (siehe Anm. 36), tome XIII, S. 527. Séance du 26 floréal an 11-15 mai 1794. Der 11. Mai, den Silagi (siehe Anm. 2), S. 178 als Tag ihrer Festnahme angibt, beruht offensichtlich auf einem Irrtum Fields und Denkmanns, die sich bezüglich der Dauer ihrer Gefangenschaft um vier Tage verrechneten. 357

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