Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 47. (1999)

ENDERLE-BURCEL, Gertrude – MÄHNER, Peter – MENTZEL, Walter: Die Ministerratsprotokolle der Regierung Figl I. Ein Editionsprojekt der Österreichischen Gesellschaft für historische Quellenstudien

Die Ministerratsprotokolle der Regierung Figl 1 1947. Die Anzahl der Regierungsmitglieder wurde im Vergleich zur Provisorischen Regierung Renner, der zeitweise 33 Mitglieder angehörten, auf 17 reduziert. Das System der dreifachen Besetzung der Staatsämter mit je einem Vertreter der drei Parteien wurde fallengelassen. „Kontrollierende“ Staatssekretäre der anderen Großpartei gab es in der Regierung Figl I, im Gegensatz zu den folgenden Regie­rungen, nur im Bundesministerium für Inneres und im Bundesministerium für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung. Der Regierungsantritt der Regierung Figl fiel in die Phase der „totalen Kontrolle“ durch die Alliierten,4 5 die bis zum Zweiten Kontrollabkommen im Juli 1946 andau­erte. Von Beginn an bemühte sich die Regierung, ihre Stellung gegenüber den Alliierten zu sichern und zu verbessern. Am 9. Jänner 1946 beklagte Außenmini­ster Gruber die forsche Vorgehensweise der Alliierten: Ohne irgendwie die Autorität des Alliierten Rates anzweifeln zu wollen, liegt doch kein Grund vor, daß man einem Oberst das Recht einräumt, um 12 Uhr nachts den österreichischen Bundeskanzler aus dem Bette zu holen.' Auch das komplizierte und langwierige System der Begutachtung, Genehmigung oder Zurückweisung von Gesetzesvorlagen durch die Alliierten erschwerte die Regierungsarbeit. So war auch eine der ersten verwaltungstechnischen Maßnahmen der Regierung Figl die Einrichtung einer zentralen Verbindungsstelle zu den Alli­ierten im Bundeskanzleramt: Ich glaube, wir könnten am zweckmäßigsten über alle Schwierigkeiten dadurch hin­wegkommen, daß wir im Bundeskanzleramt eine Zentralstelle unter der Leitung eines verantwortlichen Ressortbeamten schaffen, an die alle Weisungen, Verfügungen, Erläs­se des Alliierten Rates, des Exekutivkomitees und der einzelnen Besatzungsbehörden zu überreichen sind. Hier werden sie registriert und auf die Ressortministerien aufge­teilt, womit auch die Kontrolle gegeben ist, daß die Dinge in den Ministerien termin­gemäß behandelt werden. Von hier aus würde wiederum alles zentral an die Alliierten geleitet werden.6 Durch diese Maßnahme sollte auch die nicht immer einwandfrei funktionierende Kommunikation zwischen den einzelnen Ministerien verbessert werden. Die Ein­richtung der Verbindungsstelle ist auch für das Editionsvorhaben von wesentlicher Bedeutung. Litt die Edition der Protokolle der Provisorischen Regierung Renner noch unter dem Mangel an überliefertem Schriftgut der Alliierten, kann das For­scherteam nunmehr auf den Archivbestand der Verbindungsstelle zurückgreifen. Auch in der Phase der „totalen Kontrolle“ durch die Alliierten bis zum Zweiten Kontrollabkommen lassen sich deutliche Versuche der Regierung erkennen, Initia­4 Stourzh, Gerald: Die Regierung Renner, die Anfänge der Regierung Figl und die Alliierte Kommission für Österreich September 1945 bis April 1946. In: Archiv für Österreichische Ge­schichte 125 (Wien 1966), S. 321-342, hier S. 330. 5 Österreichisches Staatsarchiv Wien, Archiv der Republik [in Hinkunft: AdR], Bundeskanzleramt [in Hinkunft: BKA] MRP, Protokoll Nr. 2 vom 9. Jänner 1946. 6 Bundeskanzler Leopold Figl in der Ministerratssitzung vom 9. Jänner 1946. Protokoll Nr. 2 vom 9. Jänner 1946. 273

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