Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 46. (1998)
ENDERLE-BURCEL, Gertrude: „Planwirtschaft“ als Krisenbekämpfung. Aspekte österreichischen Staatsinterventionismus 1930 bis 1938
Gertrude Enderle-Burcel planwirtschafltliche Maßnahme infolge ihrer Unvollkommenheit immer wieder neue Maßnahmen nach sich39. Die weitgehenden Agrarschutzmaßnahmen konnten daher letztlich die Krisenverluste der österreichischen Landwirtschaft nicht verhindern40 und zeigten zudem auch in zunehmenden Maß Auswirkungen auf die gesamte handelspolitische Situation Österreichs. Mit der Verschärfung der Weltwirtschaftskrise kam es zur Umorientierung der gesamten Handelspolitik Österreichs. Die einzelnen staatlichen Eingriffe erfolgten in diesem Bereich nicht immer in dem Ausmaß oder im Einvernehmen mit den betroffenen Wirtschaftszweigen wie etwa bei der Landwirtschaft. So gab es im Industriellenverband beispielsweise eine geteilte Meinung zu den von den österreichischen Regierungen laufend erlassenen Einfuhrverboten41. Die österreichischen Regierungen bedienten sich bei der Umstellung der Handelspolitik - durch das Scheitern der deutsch-österreichischen Zollunionspläne als umso notwendiger empfunden - in den Dreißigerjahren des auch international angewandten Instrumentariums. Die Wirtschaftskrise „beschleunigte den Übergang von den Resten eines freien Marktes zu zunehmenden Kontrollen von Produktion und Absatz, zu Staatsinterventionismus und Protektionismus“42. Die österreichischen Regierungen reagierten darauf mit der Abkehr von der Meistbegünstigung, dem Kernstück des Freihandels. Zollerhöhungen und Einfuhrverbotsverordnungen waren dabei das handelspolitische Instrumentarium. Mit der 5. Zolltarifnovelle im Juli 1931 war die Entwicklung zum Hochschutzzollsystem abgeschlossen. Um die hohen Zölle auch umsetzen zu können, wurden die bestehenden Handelsverträge aufgelöst und durch Kontingent- und Präferenzverträge ersetzt. Die ab April 1932 laufend erlassenen 23 Einfuhrverbotsverordnungen43, an ein umfangreiches Einfuhrbewilligungsverfahren gebunden, waren als weiteres Mittel gedacht, die Importe so zu steuern, daß sie aus jenen Ländern kamen, die österreichische Produkte im Gegenzug aufnahmen44. Wieweit dieses komplizierte System einer Außenhandelslenkung und -kontrolle, samt Devisenbewirtschaftung45 und Kontrolle durch die Oesterreichische Nationalbank nach einem „Plan“ erfolgte oder bestenfalls als Mosaik von Sonderwünschen bezeichnet werden kann46, wird noch Gegenstand weiterer Forschungen sein müs39 S t i e fe 1: Die große Krise, S. 369. Stiefel bringt Beispiele aus der Milchwirtschaft. Vgl. aber etwa auch zur Wechselwirkung Futtermittel-Schweinezucht Leopold: Planwirtschaftliche Maßnahmen, S. 7. Der Österreichische Volkswirt vom 22. Juli 1933, Nr. 43, „Josef Jellinek, Agrarkrise und Agrarpolitik“, S. 1037. 41 Stiefel: Die große Krise, S. 355. Teichova, Alice: Die Wirtschaftspolitik der kleinen Nationen in Mittel- und Osteuropa. Sachzwänge und Handlungsspielräume in der Zwischenkriegszeit. In: Sachzwänge und Handlungsspielräume in der Wirtschafts- und Sozialpolitik der Zwischenkriegszeit, hrsg. von Wolfram Fischer. St. Katharinen 1985, S. 116-141, hier S. 131. Zu den Verbotsverordnungen bis 1937 vgl. Haas, Emst: Die Außenhandelspolitik der ehemaligen Republik Österreich. Würzburg 1939, S. 42 ff. 44 S t i e fe 1, Die große Krise, S. 346-363. 45 Ebenda, S. 243-260. 46 Der Österreichische Volkswirt vom 10. Jänner 1931, Nr. 15 „Dr. Felix Klezl, Gibt es eine allgemeine Volkswirtschaftspolitik?“, S. 387. 36