Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 46. (1998)
LILLA, Joachim: Die Bevollmächtigten für den Nahverkehr (Nbv) und ihre nachgeordneten Dienststellen in Österreich 1938 bis 1945
Joachim Lilla den, denen auch die Vorbereitung der Mobilmachung obliegt.““ Die Funktion der Nbv als Mobilmachungsstellen führte zu strikter Geheimhaltung; diese ging so weit, daß die als Nbv tätigen Beamten selbst im Familienkreis nicht über Art und Inhalt ihrer Tätigkeit erzählen durften* 23. Als Bevollmächtigte für den Nahverkehr bzw. deren Stellvertreter wurden anfänglich nur Beamte der Deutschen Reichsbahn eingesetzt, die zunächst für die Dauer von ein bis zwei Jahren abgeordnet wurden. Diese wurden abgeordnet, weil der Reichsverkehrsminister in der ersten Zeit „keine Stellen hatte, denen die in Frage kommenden Arbeiten übertragen werden konnten“. Ursprünglich war geplant, etwa alle zwei Jahre andere Reichsbahnbeamte abzuordnen, dies schien jedoch Anfang 1938 dem Reichsverkehrsminister nicht mehr „zweckmäßig“, so daß er entsprechende Planstellen einrichtete und den abgeordneten Beamten im Rahmen einer Nbv- Tagung in Berlin am 22. Februar 1938 die Möglichkeit eröffnete, in den unmittelbaren Reichsdienst überzutreten. Ausschlaggebend hierfür war wohl in erster Linie die Weigerung der Reichsbahn, weiterhin Beamte abzuordnen. Alle Nbv und ihre Stellvertreter hatten daher bis zum 1. März 1938 gegenüber dem Reichsverkehrsminister zu erklären, ob sie zur Reichsbahn zurückkehren oder Nbv (bzw. dessen ständiger Vertreter) bleiben und als Regierungsbaubeamte in den unmittelbaren Reichsdienst übernommen werden wollten24. Zum Zeitpunkt der Einsetzung der Bevollmächtigten für den Nahverkehr gab es im Reichsgebiet zwar formell noch zehn, faktisch aber schon zwölf Wehrkreise. Fliernach wurden als Außenstellen des Reichs- und Preußischen Verkehrsministers mit Wirkung vom 1. Oktober 1936 Bevollmächtigte für den Nahverkehr eingesetzt im Wehrkreis I beim Oberpräsidenten der Provinz Ostpreußen in Königsberg (Preußen), im Wehrkreis IÍ beim Oberpräsidenten der Provinz Pommern in Stettin, im Wehrkreis III beim Oberpräsidenten der Provinz Brandenburg in Berlin, im Wehrkreis IV beim Sächsischen Minister des Innern in Dresden, im Wehrkreis V beim Württembergischen Innenminister in Stuttgart, im Wehrkreis VI beim Oberpräsidenten der Provinz Westfalen in Münster (Westfalen) und beim Regierungspräsidenten Düsseldorf, im Wehrkreis VII beim Bayerischen Staatsminister des Innern in München, im Wehrkreis VIII beim Oberpräsidenten der Provinz Niederschlesien in Breslau, im Wehrkreis IX beim Oberpräsidenten der Provinz Hessen- Nassau in Kassel, im Wehrkreis X beim Reichsstatthalter in Hamburg - Senat im Wehrkreis XI beim Oberpräsidenten der Provinz Hannover in Hannover und im Kittel, Theodor /Wehrmann, Wolfgang: Das Reichsverkehrsministerium, Berlin 1940 (Schriften zum Staatsaufbau NF II. 50/51), S. 48. Bemerkenswert und ein weiterer Hinweis für die damals strikte Geheimhaltung ist, daß hiermit zwar die Funktionen der Nbv treffend charakterisiert werden, die Nbv als diese Funktionen ausübenden Dienststellen des RVM aber an keiner Stelle in der ansonsten recht ausführlichen Darstellung erwähnt werden. 23 Mündliche Mitteilung Bundesbahndirektor i.R. Albrecht Zahn, Stuttgart, 13. August 1994. Zahn ergänzte diesen Hinweis um die durchaus bezeichnende Episode, daß - als er einmal dienstlich von einem Polizeibeamten gesucht wurde - dieser nicht wußte, daß Zahn ein Nachbar von ihm war. 24 Vermerk (vermutlich vom Nbv Stuttgart, Reichsbahnoberrat Raible) über eine Besprechung der Nbv beim RVM am 22. Februar 1938, Handakten Bundesbahndirektor i. R. Albrecht Zahn, Stuttgart. 152