Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 46. (1998)
LEHNER, Monika: Die Errichtung des k. u. k. Gesandtschaftspalais in Beijing (1896–1900)
Monika Lehner tung Österreich-Ungams in China von der in Japan zu trennen“. Die entsprechenden Beschlüsse der Delegationen des Reichsrates wurden von Franz Joseph I. am 23. Juni 1896 sanktioniert* 5. Damit war die Notwendigkeit gegeben, für den k. u. k. Gesandten eine „passende und zweckentsprechende Wohnung“6 zu finden - eine in Anbetracht der Situation in China relativ komplizierte Aufgabe, da nicht einfach ein entsprechend geräumiges und repräsentatives Palais angekauft oder angemietet werden konnte und entsprechende Grundstücke für einen Neubau im Gesandtschaftsviertel, wo neben den Gesandtschaften auch die Gebäude der Chinese Imperial Customs und der meisten in China tätigen westlichen Firmen lagen, immer schwerer zu finden waren. Dieses - auch von den Zeitgenossen so bezeichnete - Gesandtschaftsviertel befand sich südöstlich des Gugong [Kaiserpalast, sog. „Verbotene Stadt“], zwischen den Mauern der Palastanlagen und der südlichen Stadtmauer der Nordstadt7, begrenzt im Norden von der Dong Chang’an jie, im Osten von der Chongwenmen neijie, im Süden von der Qianmen Dongdajie und im Osten von dem Hauptzugang zum Palast (Qianmen, Verlängerung der (heutigen) Qianmen Dajie, Tian’anmen-Platz, Tian’anmen)8. “ Österreich-Ungarn war bis dahin die einzige europäische Macht gewesen, die ihren Vertreter in Tokyo auch in Beijing akkreditieren hatte lassen. Nach dem Abschluß der Verträge mit China und Japan (2. September 1869 beziehungsweise 18. Oktober 1869) war das k. u. k. Generalkonsulat in Shanghai eingerichtet worden. Der Generalkonsul füngierte gleichzeitig als Ministerresident in China und Japan. 1883 wurde in Tokyo eine k. u. k. Gesandtschaft errichtet, womit die Oberleitung der Vertretung in Ostasien von China nach Japan transferiert wurde. Als Agenor Graf Gohichowski das Ministerium des k. u. k. Hauses und des Äußern übernahm, erhielten die Bemühungen um eine Aufwertung der k. u. k. Vertretung in Ostasien neue Impulse. Zur Entwicklung der k. u. k. Vertretungen in China siehe Lehner, Georg: Beiträge zur Geschichte der k. (u.) k. Konsularvertretungen in China. Von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des Ersten Weltkrieges. Phil. Diss. Wien 1995, speziell S. 137-155 (zum Vertrag mit China) und S. 157-168 (zu den Anfängen der k. u. k. Vertretung in Ostasien). 5 Stenographische Protokolle der Delegation des Reichsrathes. 32. Session.Wien 1896, S. 47, Anhang 1 (2. Sitzung, 16. Juni 1896). 6 HHStÄ AR, Fach 6/28, 6-Peking-l/l, fol. lr. (Siebold an Ministerium des kaiserlichen und königlichen Hauses und des Äußern [in Hinkunft: MdÄ], N° LVIII, Shanghai 1895 November 1). 7 Die Stadtgliederung von Beijing war seit der Ming-Zeit (1368-1644) im wesentlichen unverändert geblieben: Die Metropole bestand aus der den Palast umgebenden „Nord-Stadt“ (die in der Qing-Zeit auch Tatarenstadt genannt wurde) und eine „Süd-Stadt“. Die Nord-Stadt, in der primär Mandschuren lebten, war mit einer zinnengekrönten mächtigen Mauer umgeben, wohingegen die Mauer um die vergleichsweise ärmliche „Süd-Stadt“, wo die Han-Chinesen lebten, wesentlich niedriger und schwächer war. Nord- und Süd- Stadt werden mitunter auch als „innere“ bzw. „äußere“ Stadt bezeichent, was jedoch irreführend ist Vgl. dazu den Stadtplan von Peking im Buch Palastmuseum Peking. Schätze aus der Verbotenen Stadt. Katalog zur Ausstellung, Museum für Völkerkunde, Wien 12. 10.-9. 12. 1985. Ledderose Lothar undButz Herbert (Hrsg ), Frankfurt am Main 5. Auflage 1985, S. 18. 8 Der Tian’anmen-Platz, der im 17. Jahrhundert als unmittelbarer Vorplatz zum Palast angelegt worden war, war um 1900 um etwa ein Drittel kleiner als heute (er wurde erst 1958 auf seine gegenwärtige Größe von ca. 40 ha - 500 m x 800 m - erweitert). Der Platz war mit roten Ziegelmauem eingefaßt und um 1900 befanden sich auf dem südlichen Drittel des heutigen Platzes, entlang einer in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Straße verschiedene kaiserliche Ministerien und Ämter. Den südlichen Abschluß bildete das Qianmen oder Zhengyangmen. Zur Anlage um 1900 siehe Frey, Henri: Franiais et Alliés au Pé-tchi-Ii. Paris 1904, Carte N° 5 nach S. 336; zur Anlage des Tian’anmen-Platzes siehe Franz, Uli: Peking. In: Scheck, Frank Rainer (Hrsg.): Volksrepublik China. Kunstreisen durch das Reich der Mitte. Köln 3. Aufl. 1988, S. 214 f. 126