Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 46. (1998)

LEHNER, Monika: Die Errichtung des k. u. k. Gesandtschaftspalais in Beijing (1896–1900)

DIE ERRICHTUNG DES K. U. K. GESANDTSCHAFTSPALAIS IN BEIJING (1896-1900)* VON MONIKA LEHNER Bereits in den ersten Tagen der Belagerung des Gesandtschaftsviertels am Höhe­punkt der Yihetuan-Bewegung gingen die Gebäude der k. u. k. österreichisch-unga­rischen Gesandtschaft in Beijing' in der Nacht auf den 22. Juni 1900 in Flammen auf. Im folgenden soll die Geschichte des Baus dieser - zum Zeitpunkt des Brandes eben fertiggestellten - Gebäude untersucht werden3. Mehr als ein Vierteljahrhundert war nach dem Abschluß des ersten Vertrages zwi­schen Österreich-Ungarn und China (1869) vergangen, ehe man daranging, in Bei­jing eine selbständige Vertretung zu errichten und damit die diplomatische Vertre­Der vorliegende Aufsatz entstand im Rahmen des vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen For­schung finanzierten Forschungsprojekts „Dimensionen der Beteiligung Österreich-Ungams an der interna­tionalen Intervention zur Unterdrückung der Yihetuan-Bewegung in China 1900/01“ (P-l 1968-SOZ; Projektleiter: Univ.-Prof. Dr. Wolfdieter Bihl, Institut für Geschichte der Universität Wien). 1 Die Umschrift chinesischer Nomina propria erfolgt im Transkriptionssystem hanyu pinyin. In Zitaten erscheinenden abweichenden Transkriptionen ist die Angabe in hanyu pinyin beigegeben. Japanische Nomina propria werden in der Transkription nach Hepbum angegeben, doch wird die Länge der Vokale mit Zirkumflex (ö) bezeichnet.- Bei Zitaten aus ungedruckten Quellen wurde die Orthographie unverän­dert übernommen. 2 Die seit den 1890er Jahren stärker werdenden losen Rebellen-Gruppen, die ursprünglich gegen die mand­schurische Qing-Dynstie gekämpft hatten, waren seit der gescheiterten Reformbewegung von 1898 zu­nehmend ausländerfeindlich geworden. Ab Anfang 1900 wurden die Rebellen, die unter der Bezeichnung Yihetuan [die sog. „Boxer“) zusammengefaßt wurden, vom Qing-Hof gefordert. Als Unruhen auch auf die die Hauptstadt umgebende Provinz Zhili Übergriffen, hatten die Gesandtschaften Schutzwachen angefor­dert, um gegen die in die Hauptstadt einsickemden Yihetuan-Verbände gesichert zu sein. Nach der Ermor­dung des deutschen Gesandten Klemens von Ketteier am 20. Juni 1900 begann die Belagerung des Ge­sandtschaftsviertels, wo etwa 400 Soldaten, 450 Zivilisten (unter ihnen die Gesandten) und etwa 2000 chinesische Christen bis zum Entsatz am 14. August 1900 eingeschlossen waren. Zur Geschichte der Yihe- /«an-Bewegung vgl. Tan, Chester C.: The Boxer Catastrophe. New York 1955; Esher ick, Joseph W.: The Origins of the Boxer Uprising. Berkeley-Los Angeles-London 1987; Cohen, Paul A.: History in Three Keys. The Boxers as Event, History and Myth. New York 1997. 3 Als Quelle dienten primär die im Österreichischen Staatsarchiv, Wien, Haus-, Hof- und Staatsarchiv erliegenden Bestände der Administrativen Registratur [in Hinkunft: HHStA, AR] Fach 6/Kaiserliche Mis­sionen. Leider wurden die den Bau betreffenden Original-Rechnungen mit dem gesamten Gesandtschafts­archiv unmittelbar vor der Aufgabe der Gebäude im Sommer 1900 verbrannt, sodaß sich die Namen der chinesischen Bauunternehmer, die in den Berichten an das Ministerium des Äußern oft verballhornt wur­den, nicht mehr feststellen lassen. Auch der Vertrag über den Ankauf des Grundstücks ging in den Wirren des Jahres 1900 verloren. Durch das Fehlen der Originalrechnungen kann über das Preisniveau in Beijing beziehungsweise in Shanghai, von wo der Großteil des „vor Ort“ angekauften Baumaterials bezogen wur­de, nichts ausgesagt werden. Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 46/1998 125

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