Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 45. (1997)

AMMERER, Gerhard: Der letzte österreichische Türkenkrieg (1788–1791) und die öffentliche Meinung in Wien

Gerhard Ammerer tionelle Reaktionen hervorrief. Da dieser Waffengang nicht nur von einer Fülle an schriftlichen Darstellungen der Ereignisse (vor allem in Zeitungsartikeln und Bro­schüren), sondern auch in der Musik und bildenden Kunst eine breite Resonanz erfahren hat, werden auch diese Formen der Beeinflussung und Widerspiegelung der öffentlichen Meinung miteinbezogen. Anlaß und Auswirkungen 1781 schlossen Katharina die Große und Joseph II. eine als zeitlich befristetes Verteidigungsbündnis getarnte Allianz mit dem (vornehmlich russischen) Ziel eines Krieges gegen die Türkei13. Dieses nicht unproblematische Bündnis erfuhr denn auch rasch von seiten Preußens, Frankreichs und Englands heftige Kritik und wurde auch von der zeitgenössischen Karikatur aufgegriffen14 15. Nicht zuletzt aus den „eigenen Reihen“ kam frühe Kritik an der Politik Josephs II. - und das selbst von aktiven Soldaten. 1782 etwa schrieb ein in Siebenbürgen sta­tionierter habsburgischer Offizier leicht verärgert an seinen Vater: Alles will, wie die Zeittungen sprechen, Krieg führen, und der arme Sultan soll den Anfang machen. Wür die wür die nächsten an seinen Gräntzen sind, wissen nichts dar­von Die Gerüchteküche und die beginnende Kriegsrüstung führten in der Folge auch zu mißbilligenden Äußerungen der (Zivil-) Bevölkerung16. Den Krieg löste schließ­lich die 1787 gemeinsam unternommene, provokative Reise der Zarin und des Kai­sers nach Sevastopol aus, wo ein Kriegshafen in Bau war17. Die Türken fühlten sich 13 Die neuere Literatur hat sich in Österreich mit diesem Türkenkrieg wenig befaßt und ist über eine Zu­sammenfassung älterer Darstellungen nicht hinausgegangen; vgl. insbes. Gutkas, Karl: Kaiser Josephs Türkenkrieg. In: Österreich zur Zeit Kaiser Josephs II. Katalog der Niederösterreichischen Landesausstel­lung im Stift Melk 1980. Wien 1980, S. 271-273 und S. 671-674 (Objektbeschreibungen); Donnert, Erich: Joseph II. und Katharina II. Ein Beitrag zu Österreichs Rußland- und Orientpolitik 1780-1790. In: Österreich im Europa der Aufklärung. Kontinuität und Zäsur in Europa zur Zeit Maria Theresias und Jo­sephs II. Internationales Symposion in Wien 20.-23. Oktober 1980. Wien 1985, Bd. 1, S. 576-580; vgl. auch den nach wie vor gültigen Hinweis auf das bestehende Literaturdefizit bei T e p 1 y, Karl: Das öster­reichische Türkenkriegszeitalter. In: Abrahamowicz, Zygmuntu. a. (Hrsg.): Die Türkenkriege in der historischen Forschung. Wien 1983, S. 48. Einige spezielle Studien, die das Thema teilweise jedoch zu oberflächlich behandeln, sind im Ausland erschienen, vgl. vor allem Roider, Karl A., Jr.: Kaunitz, Jo­seph II and the Turkish War. In: Slavonic and East European Review LIV, Nr. 4 (1976), S. 538-556; derselbe: Austria’s Eastern Question 1700-1790. Princeton 1982; Bernard Paul P.: Austria’s Last Turkish War: Some Further Thoughts. In: Austrian History Yearbook XIX-XX. 1983-1984, 1. Teil, S. 15-31. 14 Vgl. Abb. 1: „Politische Spazierfahrt“. Satirisches Blatt auf das 1781 geschlossene Bündnis zwischen Joseph II. und Katharina II., anonymer Kupferstich, Graphische Sammlung Albertina, Wien. 15 Oberösterreichisches Landesarchiv, Stadt Freistadt 626 (F. v. Ployer, Brief aus Szaszregen vom 29. Oktober 1782). 16 Mitrofanov, Paul von: Joseph II. Seine politische und kulturelle Tätigkeit. Wien-Leipzig 1910, 1. Teil, S. 211. 17 Vgl. Scharf, Claus: Katharina II., Deutschland und die Deutschen. Mainz 1995 (Veröffentlichungen des Instituts für europäische Geschichte Mainz, Abteilung Universalgeschichte, 153), S. 426 f. 62

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