Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 45. (1997)

HÖDL, Sabine: Eine Suche nach jüdischen Zeugnissen in einer Zeit ohne Juden. Zur Geschichte der Juden in Niederösterreich von 1420 bis 1555

Sabine Hódi ben war65. Für die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts ist in Niederösterreich der Handel von Juden mit Stoffen, Tuchwaren, Wolle, Häuten, Federn, Wachs, Werg, Hanf, Säcken, Getreide, Hafer, Schmalz, Käse und Wein belegt. Der Tuchhandel wurde durch Heeresaufträge stark gefördert, und auch für den Pferdehandel war das Militär ein Abnehmer. Weiters waren Juden im 16. Jahrhundert auch als Fleisch­händler tätig, da die Fleischversorgung in den Städten schlecht war und manche Juden zusätzlich Erfahrung als Schächter hatten. Vorrangig ungarische, böhmische und mährische Juden waren im Viehhandel tätig. Sie kamen mit Schafen, Ochsen und Pferden nach Niederösterreich, um ihre Ware hier zu verkaufen66. Ob all diese Aussagen konkret auch für die erste Hälfte des Jahrhunderts zutreffen, ist nicht mit Sicherheit zu sagen, doch haben sich diese von Juden ausgeübten Tätig­keiten wohl im Lauf der Zeit entwickelt, weswegen davon ausgegangen werden kann, daß auch vor 1550 bereits Juden in diesen Berufen tätig waren. 3.3. Einzelschicksale Hirschl von Graz und Mändl von Zistersdorf Über Hirschl, Sohn des Isak und Enkel des Merchlein von Graz, und seine Familie ist für die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts am meisten bekannt. Er war einer der vermögendsten Juden dieser Zeit. Angeblich aus erster Ehe seines Vaters Isak67 stammend, lebte Hirschl eine Zeit lang in Graz, danach bis 1496 in Wiener Neu­stadt, welches zu diesem Zeitpunkt zum steirischen Verwaltungsgebiet gehörte. Nach der Ausweisung zog er mit anderen vertriebenen Juden nach Eisenstadt. Hierzu wurde ihm ein Schutzbrief ausgestellt: Dem Pfleger, Rat und Richter von Eisenstadt wurde bekanntgegeben, daß Maximilian I. „seinem“ Juden Hirschl mit zwei weiteren Juden, ihren Frauen, Kindern, Gesinde, Hab und Gut gestattete, sich in Eisenstadt anzusiedeln. Hirschl und seine Begleitung sollten nicht nur in die Stadt eingelassen, sondern ihnen sollte auch gestattet werden, dort um einen angemessenen Zins zu wohnen. Weiters sollte ihnen Grund zur Verfügung gestellt werden, auf dem sie bauen könnten. Nach einer für die Juden erlassenen Ordnung war ihnen eine klar umschriebene Handelstätigkeit erlaubt. Sie durften jährlich besteuert und sollten nach gültigem Recht behandelt und geschützt werden68. In Eisenstadt wohnte Hirschl 65 Rosenberg: Beiträge zur Geschichte der Juden (wie Anm. 3), S. 103. 66 Lohrmann - Wadi - Wenninger: Wirtschafts- und Sozialgeschichte (wie Anm. 5), S. 64 und Messing: Beiträge zur Geschichte der Juden (wie Anm. 3), S. 33-34. 67 Herzog: Urkunden und Regesten (wie Anm. 3), S. 85: Stammbaum der Familie Hirschl mit zum Teil falschen Angaben. Isak lebte bis 1461 in Voitsberg und dann bis 1464 in Graz. Er war angeblich zweimal verheiratet. Vgl. weiters Anm. 81. 68 HKA Wien, Gedenkbuch 3a, fol. 443v^t44<Vpag. 896-897 (1496 Dezember 12). Dazu auch Messing: Beiträge zur Geschichte der Juden (wie Anm. 3), S. 17. Rosenberg: Beiträge zur Geschichte der Juden (wie Anm. 3), S. 101, nennt als Begleitung Hirschls seine Schwester Lea mit ihrem Mann Isak und den beiden Söhnen Maul und Aron. Über die für die Juden erlassene Ordnung liegen keine weiteren Quellen­belege vor. 290

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