Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 45. (1997)

HÖDL, Sabine: Eine Suche nach jüdischen Zeugnissen in einer Zeit ohne Juden. Zur Geschichte der Juden in Niederösterreich von 1420 bis 1555

Eine Suche nach jüdischen Zeugnissen in einer Zeit ohne Juden war - und dem Inhaber der Herrschaft Wölkersdorf bekanntzugeben60. Aus demsel­ben Jahr liegt eine Beschwerde gegen etliche Juden vor, die Bruchsilber und Silber zur Wiener Münzstätte gebracht hatten, obwohl dies gegen die erlassenen Freibriefe und Mandate war61. Israel brachte zur selben Zeit eine Supplikation ein, in der er bat, daß ihm neben der Bearbeitung von Silber und Gold für die Münze auch die Tätig­keit in anderen Gewerben, wie sie die restlichen Wolkersdorfer Juden ausübten, gestattet werde62. Dies wurde ihm jedoch nicht gewährt. Als dritter Jude besaß Ysrael Guetman einen Freibrief, durch den ihm die Bearbei­tung von Gold und Silber für den Münzmeister und Münzwardein (Münzprüfer) gestattet wurde. Er bat im Oktober 1550 in einem von der Kammer angeforderten Bericht über sein Tun neben der Erwähnung, daß er einen solchen Freibrief besitze, darum, diese Tätigkeit weiterhin ausüben zu dürfen. Die Kammer verlangte jedoch von ihm auf seinen offenbar nicht ausreichenden Bericht hin eine weitere Erklärung, für wen, außer den Münzmeister und Münzwardein in Wien, er sonst noch Bruchsil­ber brenne und scheide, da in der Kammer angenommen wurde, daß er über seine bewilligte Tätigkeit für die Wiener Münze hinaus noch Geschäfte mit Bruchsilber und Silber machte63. Neben diesen Tätigkeiten bei der Münze, die von den dafür befreiten Juden wahr­scheinlich auch ausgenutzt wurden, weitere Geschäfte mit den Edelmetallen zu täti­gen, waren die niederösterreichischen Juden dieser Zeit vorrangig im Gelegenheits­und Hausiererhandel tätig. Sie waren nach den Vertreibungen, als sie kaum mehr in Städten, sondern in kleinen Orten auf dem Land lebten, weniger der Kontrolle durch städtische Gilden und Zünfte unterworfen. Dadurch konnten sie sich neben der Geldleihe wieder stärker dem Handel zuwenden. Die Juden wurden damit zu Ver­mittlern zwischen Stadt und Land, sie kauften auf den Messen und Jahrmärkten in den Städten ein und boten diese Waren auf dem Land an. Ebenso brachten sie die von ländlichen Grundbesitzern und Bauern gekauften Erzeugnisse in die Städte64. Rosenberg meint für das ungarische Grenzgebiet, daß die dort lebenden Juden zu dieser Zeit im wesentlichen vermittelnden Großhandel betrieben haben, weil in die­sem relativ bevölkerungsarmen Gebiet für Kleinhandel die Möglichkeit nicht gege­60 HKA Wien, NÖ Kammer, Bd. 21 (E. R.), fol. 57r (1549 August 1). Zum Begriff des Handsgrafen bzw. Hansegrafen vgl. Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte. Bd. 1. Berlin 1971, Sp. 2002-2003. Obwohl die heute übliche Form die des Hansegrafen ist, habe ich mich für die Verwendung des Begriffs Handsgraf entschieden, da diese den Quellen entspricht und außerdem von einer für Ostösterreich typischen Ausprägung dieses Titels und der damit zusammenhängenden Funktion ausge­gangen werden kann. 61 HKA Wien, NÖ Kammer, Bd. 21 (E. R ), fol. 252v (1549 Dezember 5). 62 E b e n d a, fol. 270' (1549 Dezember 20). 63 Ebenda, Bd. 23 (E. R.), fol. 207r (1550 Oktober 23). Messing: Beiträge zur Geschichte der Juden (wie Anm. 3), S. 35, setzt Israel Gutmann mit Israel von Wölkersdorf gleich. Meines Erachtens geht aus den beiden Schriftstücken eine Identität beider Personen nicht hervor. 64 Straus, Raphael: Die Juden in Wirtschaft und Gesellschaft. Frankfürt/Main 1964, S. 84. Entnommen aus Greive, Heinrich: Die Juden. Grundzüge ihrer Geschichte im mittelalterlichen und neuzeitlichen Europa. Darmstadt 1980, S. 114. Diese für das Reich allgemein getroffene Aussage dürfte auch für den niederösterreichischen Raum im 16. und 17. Jahrhundert zutreffen. 289

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