Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 45. (1997)

HÖDL, Sabine: Eine Suche nach jüdischen Zeugnissen in einer Zeit ohne Juden. Zur Geschichte der Juden in Niederösterreich von 1420 bis 1555

Sabine Hódi 3. 2. Berufe Informationen über die berufliche Stellung der Juden in Österreich unter der Enns im 16. Jahrhundert sind nur spärlich vorhanden, vor allem über die Zeit bis 1550 lassen sich nur sehr allgemeine Aussagen treffen. Einerseits ist die Beschäftigung von Juden im Geldverleih, andererseits ihre Tätigkeit bei der Beschaffung und Ver­arbeitung von Metallen für die Münze bekannt. In der ersten Hälfte des 16. Jahrhun­derts waren drei Juden im Dienst der königlichen Münze. Ferdinand I. gab am 18. Jänner 1543 dem Meyso juden wegen seiner langen Dienste bei der Münze auf dessen untertäniges Bitten hin einen Freibrief, der es ihm erlaubte, weiter im Land zu bleiben und einem kleinen Gewerbe nachzugehen, allerdings wurde ihm der Geldverleih gegen Zinsen untersagt. Außerdem mußte er auf Reisen - so wie christ­liche Handelsleute - die üblichen Zoll- und Mautgebühren für seine Waren entrich­ten56. Somit wurde Moyse für seine langen Dienste bei der königlichen Münze damit belohnt, daß er im Land bleiben und einem Gewerbe nachgehen konnte. Welche Aufgabe Moyse in der Münze erfüllt hatte, geht aus dem Schreiben nicht hervor, er kann als Einkäufer von Bruchsilber und -gold bzw. anderen Metallen, als Verarbei­ter dieser Materialien oder aber in der Münze selbst, zum Beispiel als Gehilfe des Münzmeisters oder als Münzprüfer, tätig gewesen sein57. Daneben gab es noch den aus Bösing [Pezinok/Slowakei] stammenden Israel, der in Wölkersdorf angesiedelt wurde, weil er bey der muntz mit silberprennen ge­braucht wurde58. Damit im Zusammenhang steht auch eine kurze Eintragung vom Juli 1549, in der es heißt, daß sich Israel zu Erfüllung seiner Aufgaben mit seiner Frau und seinen Kindern in Wölkersdorf ansiedeln, jedoch keinem anderen Gewerbe nachgehen dürfe59. Am 1. August 1549 erging die Anweisung, dem Juden einen Freibrief auszustellen und diesen auch den Obrigkeiten in Wien, dem Handsgrafen - einem landesfürstlichen Beamten, der für Markt- und Handelssachen zuständig 56 HKA Wien, NÖ HA, Fasz. W 61/C 43, fol. 6r-6v (1543 Jänner 18). Messing: Beiträge zur Geschichte der Juden (wie Anm. 3), S. 14, gibt als Datum den 18. Jänner 1543 an, auf S. 35 nennt er dann allerdings das Jahr 1542. Schwarz: Geschichte der Juden in Wien (wie Anm. 3), S. 51, datiert mit dem 18. Jänner 1542 und fuhrt als Quelle HKA Wien, Fasz. W 29/2 (heute W 43/C 61) an, doch geht aus dem hier vor­liegenden Text eindeutig hervor, daß das Schreiben am achtzehnden tag des monats January nach Christi gebürt funffzehenhundert und im dreyundvierzigisten Jahr ausgestellt wurde. Wolf: Geschichte der Juden in Wien (wie Anm. 3), S. 256-257, gibt den Freibrief fur Moyse im Druck zum Teil wieder, je­doch auch unter falschen Datum, nämlich dem 18. Jänner 1542. Auch Gold: Geschichte der Juden in Wien (wie Anm. 4), S. 15, nennt, wahrscheinlich in Übernahme der obengenannten Literatur, als Datum den 18. Jänner 1542. 57 Messing: Beiträge zur Geschichte der Juden (wie Anm. 3), S. 35. 58 HKA Wien, Niederösterreichische Kammer (in Hinkunft: NÖ Kammer), Bd. 20 (E. R.), fol. 138r (1549 März 28) und Gedenkbuch 63, fol. 200r (1549 Juli 21). Probszt, Günther: Österreichische Münz- und Geldgeschichte. Von den Anfängen bis 1918. Wien-Köln-Graz 1973, nennt den Begriff des „Silberbrennens“ nicht explizit, doch ist anzunehmen, daß damit nicht nur das Einschmelzen von Bruch­silber gemeint ist, sondern vor allem die Anwendung verschiedenster Techniken zur Trennung der unter­schiedlichen Metalle. Vgl. zu diesen Verfahren Probszt, S. 27-30. 59 HKA Wien, Hoflinanz, Bd. 201 (E.), fol. 137v (1549 Juli). 288

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