Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 45. (1997)
HÖDL, Sabine: Eine Suche nach jüdischen Zeugnissen in einer Zeit ohne Juden. Zur Geschichte der Juden in Niederösterreich von 1420 bis 1555
Sabine Hödl sich außerhalb der erlaubten Orte niedergelassen hatten, von den Obrigkeiten aus dem Land ausgewiesen werden sollten. Eine neuerliche Niederlassung wurde verboten43. Bereits zwei Jahre später, 1546, versuchte Ferdinand I. dann durch ein Generalmandat alle Juden aus Österreich unter der Enns und Mähren auszuweisen, damit die christlichen Untertanen durch sie nicht länger belastet wären44. Doch dürfte dieser Plan wenig zielftihrend gewesen sein. Messing meint, daß der Grund für die ungenügende Durchführung dieser und späterer Ausweisungsbefehle darin zu suchen sei, daß zum Beispiel die Juden beherbergenden Herrschaften Eisenstadt, Kobersdorf und Güns fast dauernd an Gläubiger der Habsburger verpfändet waren und diese weniger Interesse an fortdauerndem Wohlstand der Herrschaft, sondern eher an kurzfristigem hohem Gewinn hatten. Auch durch den Judenschutz gelangten sie zu Einnahmen, sodaß es nicht im Interesse der Pfandinhaber lag, „ihre“ Juden zu vertreiben45 46. Am 2. Jänner 1554 erließ Ferdinand I. den Befehl, sämtliche Juden aus Österreich ob und unter der Enns, aus der Steiermark, Kärnten, Krain und aus Görz auszuweisen. Begründet wurde dieser neuerliche Ausweisungsbefehl, der keinerlei Ausnahmen, wie noch 1544, vorsah, wiederum mit dem Schaden und Nachteil, den die Juden den christlichen Untertanen brächten. Die Juden sollten bis zum 24. Juni 1554 mit ihren Frauen, Kindern, Gesinde, Hab und Gut unter Bezahlung der üblichen Maut- und Zollgebühren aus dem Land ziehen und nach diesem Termin das Land nicht mehr betreten. Mit diesem Ausweisungserlaß verloren auch alle Privilegien, Frei- und Schutzbriefe ihre Gültigkeit. Sollten einer oder mehrere der Juden zum Christentum konvertieren wollen, dann würden sie mit Lieb und Guetwilligkeit gerne aufgenommen44. Noch vor Ablauf der Frist wurde am 23. April 1554 in einem Patent Ferdinands I. eine Fristerstreckung bekanntgegeben, denn die Juden hätten untertänig gebeten, daß sie sich zwar gehorsam dem Ausweisungsbefehl unterwerfen würden, sie jedoch mehr Zeit brauchten, ihre Geschäfte abzuwickeln und ihre Schulden zu bezahlen, was in einem so kurzen Zeitraum ohne große Nachteile für sie 43 HKA Wien, NÖ HA, Fasz. W 61/C 43, föl. lB-llv (1544 Jänner 31). Druck bei Pribram: Urkunden und Akten (wie Anm. 3), S. 8-9, Nr. 3. Dazu weiters Messing: Beiträge zur Geschichte der Juden (wie Anm. 3), S. 20 und Scherer: Die Rechtsverhältnisse der Juden (wie Anm. 3), S. 450. Teilabdruck bei Wertheimer: Die Juden in Österreich (wie Anm. 3), S. 116-117. Gold: Gedenkbuch (wie Anm. 4), S. 92, H o d i k, Fritz Peter: Beiträge zur Geschichte der Mattersdorfer Judengemeinde im 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Wien (Diss.) 1972, S. 6 und Paul, Hans: 50 Jahre Stadtgemeinde Mattersburg. Mattersburg 1976, S. 185, berichten von der Vertreibung der Mattersburger Juden 1544, die unerlaubt nach den Ausweisungen aus Ödenburg und Preßburg nach Mattersburg gekommen waren. Sie wurden aber von Hans von Weißpriach, dem Inhaber der Grafschaft Forchtenstein, aufgenommen, wofür er sich von ihnen mit beträchtlichen Summen bezahlen ließ. 44 Druck bei Pribram: Urkunden und Akten (wie Anm. 3), S. 9, Nr. 4, der das Generalmandat ohne Kommentar von Wolf: Geschichte der Juden in Wien (wie Anm. 3), S. 24, übernommen hat. Wolf gibt die Herkunftsquelle nicht an. Messing: Beiträge zur Geschichte der Juden (wie Anm. 3), S. 20, meint zu 1546, daß die Juden aus Güns vertrieben wurden und ab diesem Zeitpunkt keine Belege für das Vorhandensein von Juden in diesem Ort aufzufinden seien. Ob er sich dabei auf das Austreibungsmandat von 1546 bezieht oder auf andere Quellen, geht aus seiner Darstellung nicht hervor. 45 Messing: Beiträge zur Geschichte der Juden (wie Anm. 3), S. 19-20. 46 Pribram: Urkunden und Akten (wie Anm. 3), S. 15-16, Nr. 7. 284